Autor: David Berkel

  • Politische Ökonomie oder die neo-liberale Transformation der Stadt Berlin

    Politische Ökonomie oder die neo-liberale Transformation der Stadt Berlin

    Einleitung

    Ende vergangenen Jahres kam es zu einer Zeitenwende in der Kulturmetropole Berlin. Der Senat verabschiedete landesweite Kürzungen kultureller und wissenschaftlicher Budgets im nie dagewesenen Ausmaß. Zivilgesellschaftliche Fundamente stehen damit mehr und mehr infrage, ebenso wie die vielfältige, kulturelle Urbanität Berlins.

    Das Sparprogramm wäre kaum einen Beitrag wert, wenn schicksalhaft angenommen würde, dass nun mal da eingespart werden müsse, wo kein Geld sei. Vereinfachungen hinsichtlich Ökonomie und Geld-Zirkulation mögen zwar zu einem Freizeitgewinn beitragen, nicht aber zum Verständnis über politische Verstrickungen. Dass der Berliner Senat unverhältnismäßig hart einspart gegenüber anderen Bereichen wie beispielsweise Straßen- und Stadionbau, ist ein Indiz für Lobby-Interessen bedienende Umverteilungen (Hamburg erhöhte jüngst seinen Kultur-Etat um elf Prozent).

    Warum Berlin gerade jetzt in Zeiten klammer Kassen für 140 Millionen Euro ein neues Rathaus plant, spricht entweder für einen Widerspruch oder eine 60 Meter hohe Stufe des Humors.

    Wenn zudem in Zeiten des globalen Rechtsrucks bundesweit an politischer Bildung gespart wird[1] (die AfD in Sachsen will die Landeszentrale für politische Bildung abschaffen[2]) wie auch an Projekten gegen sexualisierte Gewalt[3] – dann ist diese Entwicklung mindestens besorgniserregend. Damit würde der grassierenden Landnahme von Rechts langfristig besehen neuer und mehr mentaler Boden zur Verfügung gestellt.

    Dass Berlins Kürzungen politisch motiviert sind, steht außer Frage. Sie reihen sich ein in eine seit Jahren vorgezeichneten – und bereits wirksamen – konservativen Revolution, von der Wegners bayerischer Parteikamerad Alexander Dobrindt vor rund sieben Jahren schon träumte.[4] Im Grunde bilden das Spardiktat und dessen konservative Revolutionserzählungen im Hintergrund das Zaumzeug eines rechten Kulturkampfes gegen weiche Werte wie Inklusion, soziale Gleichheit, Care-Work, Pluralität, Selbstbestimmung und Sexualität (jenseits reproduktiver Imperative).

    Die Brandenburger AfD beispielsweise ereifert sich gegen sexuelle Aufklärung und Selbstbestimmung[5],  inspiriert durch die lautstarke Inquisition der Trump-Fans (MAGAs), die Inhalte öffentlicher Bibliotheken und progressive Schulbücher erfolgreich mit einem politischen Kirchenbann belegen[6][7]. Das Synchronschwimmen des regressiven Kulturkampfes erfolgt ferner in Italien[8], Frankreich[9][10][11], Serbien[12], Bulgarien[13], Slowakei[14][15], Ungarn[16] , Rumänien[17][18], worin gleichlautend die jeweiligen Haushaltsdefizite, Russlands Invasion der Ukraine oder Corona als Urgrund für wertkonservative Paradigmenwechsel zum Anlass genommen werden.

    Was den Rechten oder Autoritären im Parlament ausgetragenen Kreuzzug gegen ihre Todfeinde wie „Wokeness“[19] und Kunstfreiheit nicht gelingt, das droht wesentlich subtiler die rationalisierte Ökonomie über den Weg des entfesselten Marktes umzusetzen. Automatisch wird sie die von der AfD verschmähten „Irrwege der Moderne“ [20][21] auslesen. Es sind die spaltenden „Irrwege der Ökonomie“, die seit Ölkrise, Thatcher, Mauerfall, Finanzkrise und Corona die rechten „Irrwege der Köpfe“ begünstigen.

    Daher ist es nötiger denn je, über Austerität und politische Ökonomie zu sprechen. Eine Politik, die mit verheerenden Wirkungen fürs gesellschaftliche wie auch ökologische Klima den Akzent von demokratiebildender Wohlfahrt dezentraler Akteur:innen auf zentralisierte Monopol-Interessen des Privatkapitals verschiebt. Manifest wird diese neoliberale Verschiebung durch ein Dispositiv, das der Ökonomie als Disziplin den Schein einer exakten Wissenschaft verleiht, die Sparzwänge als Naturzwänge verkauft. Haushaltskürzungen oder fiskalische Schocktherapien des Berliner Senats vermitteln dadurch ein Gefühl von Alternativlosigkeit (getreu dem bekannten Thatcher-Slogan „There is no alternative“).

    Auf den Zusammenhang zwischen fiskalischer Austerität und ihrer politischen Motivation versuche ich im Hauptteil meiner Arbeit einzugehen. Vorwegnehmen will ich an dieser Stelle, dass die konservative Regierungsprominenz des Senats ja überhaupt keinen Hehl daraus macht, dass das Sparprogramm schlicht mit Umverteilung von Geldern zu tun hat. Kai Wegner, Stefan Evers und der vormalige Kultursenator Joe Chialo gaben unmissverständlich vor Presse und Publikum zu verstehen, dass Sicherheit, Polizei und die traditionelle Familie ihre Schwerpunkte seien (vgl. Kapitel 5).

    Mit Verunsicherung zu arbeiten und so zu tun, als müssten weiche demokratiebildende Bereiche wie Kultur Inklusion gegen abstrakte Sicherheitsbedürfnisse bestimmter Wähler:innen, insbesondere in Berlins Agglomerationen aufgewogen werden, hat jedenfalls nichts mehr mit Populismus als (guter) Politik zu tun.

    Als mindestens genauso problematisch sehe ich an, dass sowohl die Rechte an die politische Ökonomie ideologisch andockt, als auch die selbsternannte Mitte dem rechten Rand wirtschaftspolitisch und sprachlich näher gerückt ist. Kaum forderten vor Jahren Politiker:innen der rechtsradikalen AfD[22] in ihrem neo-faschistoiden Sprech die sogenannte „Entsiffung des Kulturbetriebs“[23], droht die fiskalische Austerität des Berliner Senats auf ökonomischem Gebiet genau das nachzuholen, was die AfD auf ihrem ideologischen Feldzug gegen den Kulturbetrieb nicht erreichen konnte (vgl. Kapitel 4).  [24]

    Warum dezimiert gerade jetzt der Berliner Senat die wirkliche „Brandmauer“ aus Kultur, Wissenschaft und Inklusion gegen die sozial-demokratiefeindliche Reaktion?

    Zudem ist es nicht so, als ob die AfD und Reichsbürger allein über den Umweg des Rechtsstaats ihn selbst und die Kunstfreiheit hybride bekämpfen. Andere Parteien wie CDU und FDP mischen auf diesem reaktionären Feld unweigerlich mit, wenn auch nicht ganz so derb in ihren Methoden. Jens Spahn etwa unterstellte der damaligen Ampel im Zuge der nicht enden wollenden Debatten über Migration, dass die Ampel angeblich die Ängste der Bevölkerung „nicht ernst nehme“. Damit nicht genug: Er behauptete sogar, dass die Ampel einen „Kulturkampf“ betreibe.[25] Mit diesem Szenario verunsichert der ehemalige Gesundheitsminister Wählende, um sie an sicherheitspolitische, migrationsfeindliche und kulturreaktionäre Imperative zu binden.

    Der Hass gegen die Ärmeren unserer Gesellschaft folgt jener migrationsfeindlichen Propaganda traditionsgemäß auf dem Fuß. „Es tut mir so leid“, moserte mit Krokodilstränen der ehemalige von BILD verehrte Finanzminister[26] beim prominent gewordenen Protest der Landwirt:innen vor dem Brandenburger Tor. Seiner Überzeugung nach gäbe die Sozialdemokratie Leuten fürs Nichtstun Geld, während andere malochen müssten.[27] Na toll. Und auch Merz wetterte in einem Interview des Deutschlandradio gegen die aus seiner Sicht vielen verplemperten Milliarden an Empfänger:innen des Bürgergeldes[28][29] – nur um Alice Weidel ein paar Likes zu stehlen[30] .

    Als ob unterschwellige Allianzen zwischen CDU und AfD nicht schon genug wären, lancieren strammrechte Propaganda-Portale unterdessen ausdrücklich, dass nach dem Ampel-Bruch und nach Trumps Wahlsieg allen Ernstes nicht bloß mehr „Kulturkampf“ gewagt werden müsse (nach dem Vorbild der MAGAs[31]),[32] sondern auch die sogenannte Öko- und Sprach-Polizei ein Ende haben müsse.[33]

    Sicher, hierzulande ist die Rechte kulturpolitisch (noch) nicht so organisiert wie etwa in Ungarn oder der Slowakei. Berlin ist nicht Bratislava. Dort ließ bekanntlich eine neurechte Kulturministerin (Kultur meint hier „Heimat“) ein aus ihrer Sicht anstößiges Bild abhängen im modernsten Kunstmuseum der Slowakei[34] (so viel zu Zensur und zur Kunstfreiheit). Doch diese reaktionäre Entwicklung, so wie sie global fortwirkt, droht aus meiner Sicht die weitgehend progressiver aufgestellten Zonen wie Berlin zu kippen.

    Im Folgenden werde ich meinen obigen gestreuten Ausführungen mehr Gehalt geben, indem ich auf öffentliche Mobilität, auf sozialen Wohnungsbau, Wissenschaft und Bildung sowie abschließend auf den kulturellen Bereich eingehe.

    Die Nachweise, Belege und Quellen werden für mein Vorhaben stichprobenartig sein. Alle Posten der Kürzungen und ihre Auswirkungen im Einzelnen aufzuzeigen und zu erörtern, würde in ein nahezu endloses Mammutprojekt führen.

    Wenn ich bei meinen Lesenden neben kritischen Anregungen vielleicht einen Zusatzanreiz hinsichtlich zivilgesellschaftlichen Engagements bewirken könnte in Form aktivistischer, visueller oder choreographischer Praktiken, oder wenn auch nur wenigstens eine Stelle ein lachend-erleichterndes Schmunzeln über unsere aufwühlenden Umstände hervorriefe, dann empfände ich das als eine enorme Anerkennung für meine Arbeit.

    1. MOBILITÄT

    „Berlin ist für alle da. Auch für Autofahrer[35]

    Das Mobilitätskonzept des Senats lässt sich in drei Worten zusammenfassen: mobilmachen gegen andere. Erfolgreich macht die konservative CDU-Avantgarde in den Randbezirken Stimmung gegen „viele ideologische Träume“ wie Umweltschutz und Verkehrswende; im Handumdrehen legte die CDU den „ideologische[n]“ Ausbau von Tramstrecken[36] wie auch Radwegen auf Eis.

    Jenes irrationale Affektkonzept dieser Partei für Autofahrende und Parkende mobilisiert vor allem abstrakte Ängste vor einem aufgeblähten Feindbild,[37] den linksgrünen „Woken“ nämlich, die in ihrem Kampfgeist aus Verboten und Zumutungen das Autofahren in Berlin verbieten und freie Fahrt für freie Kerle unterbinden wollen. War also die „linksextremistische Unterwanderung“[38] durch die „Klimakleber-RAF“[39] nur der fundamentale Anbeginn einer grundlegenderen Umwälzung, für die das Siegel Verkehrswende ihr verherrlichender Ausdruck ist?

    Berlin, die autogerechte Stadt

    Wir dürfen beruhigen: Die linksgrüne Unterwanderung steht still, Berlin wird nicht zu einem zweiten, autofreien Oslo verrohen.[40] Im Namen der Schuldenbremse schrumpfen die Ausgaben für soziale und grüne Mobilität (Streichung des 29-Euro-Tickets & Erhöhung des Sozialtickets von neun auf 19 Euro), während sich die Handbremsen lockern dürfen. Schließlich beinhalten weitere, asphaltreiche Mobilitätskonzepte des Senats die Sanierung des Schlangenbader Tunnels mit rund vierzig Millionen Euro[41] wie auch den Ausbau der geplanten „Tangentiale Verbindung Ost“ (TVO) mit wesentlich höheren Baukosten von rund 350 Millionen Euro.[42][43]

    Und was wären all die Projekte für ein noch autogerechteres Berlin ohne die geplante Mietwohn-, Grünflächen- und Clubwalze A100[44]? Bei diesem schmerzmittelfreien Verkehrsprojekt werden die hochgepurzelten Baukosten inzwischen auf locker 1,8 Milliarden Euro geschätzt.[45] Selbst wenn der Bund trotz Bundes-Schuldenbremse gesetzlich für den Bau der A100 aufkommt, muss Berlin trotz Landes-Schuldenbremse bis zu 60 Millionen Euro an Planungskosten bezuschussen.[46] „Berlin ist für alle da“, und da Berlin auch für „Autofahrer“ da ist, plädiert Kai Wegner für den Bau seiner – so wörtlich – „Klimaautobahn“ (CDU-Humor).[47]

    Subvention von Freiparken und Subversion von Öffis

    Eine derartige Verkehrsplanung am Vorbild der 50er Jahre hat überspitzt gesagt eines im Sinn: die Umwandlung der Stadt Berlin in einen metropolitanen Autobahnzubringer.[48] Während die Posten öffentlicher Nahverkehr, Ausbau der Radwege und inklusive Kulturprojekte im Förderranking „Berlin-ist-auch-für-Autofahrer-da“ nicht in den Top Ten vorkommen, rangiert subventioniertes Anwohner:innenparken auffällig weit vorne.[49][50] Der Subtext konservativer Infrastrukturprojekte lautet: Freiparken statt freie Szene und Teer statt Theater. Nichts bereitet der Wegnerischen, anti-ökologischen Kehrtwende mehr Kopfweh als die Umwandlung von Parkplätzen zu Grün- und Spielflächen.[51]

    Mal was probieren: Magnetschwebebahn

    Immerhin, ein Nice-to-have haben der regierende Bürgermeister und sein Co-Pilot Evers jedenfalls ungeachtet des vielbeschworenen Haushalts und der angezogenen Schuldenbremse nicht ausgebremst: die Magnetschwebebahn. Erst ging vor wenigen Wochen und Monaten die Legende um, dass das hochtechnologische Magnetzäpfchen ausgeträumt wäre, was offenbar auf einer Fehlleistung der Linksfraktion beruhte. Verwundert dementierten Ideengeber des Verkehrstraumprojekts wie der CDU-Fraktionschef Stettner, dass „da gar nichts vor dem Aus“ stünde.[52] Das PR-Projekt Schwebebahn steht in den Startlöchern und der Pionier Wegner promotet es als eine „Win-win-Situation für alle“.[53] Nicht unbedingt alle, denn scheinbar begrüßt jenseits der Fraktionen von CDU und AfD niemand die Wegnersche Magnet-Rêverie. Wohlgemerkt, allein der Bau einer fünf Kilometer langen Teilstrecke wird auf seidige 250 Millionen Euro beziffert.[54] „Wir müssen als Metropole so etwas [halt] mal probieren“,[55] verkündete dazu Wegner ganz progressiv.

    Wie an den Ressorts Verkehr und Mobilität zu sehen ist, sind Heckenschnitte öffentlicher Budgets scheinbar so natürlich von Interessen geleitet wie die Naturwüchsigkeit der Schuldenbremse. Sie folgen einem wertkonservativen, technoiden Programm, das die finanziellen Mittel von der teilhabenden, ökologischen Seite auf die exkludierende, klimaskeptische Seite verschiebt. Die Logik dieses Umverteilungspakets im konservativ geführten Berliner Senat wird besonders erkennbar auf dem Wohnungsmarkt

    2. WOHNUNGSBAU UND PRIVATEIGENTUM

    Vom sozialen zum marktkonformen Wohnungsbau

    Kai Wegner verarbeitet in seinen programmatischen Träumen ja nicht nur die Schwebebahn. Als waschechter Kosmopolit wünscht er sich eine höhere Skyline für Berlin mit der beispielhaften strammen Milliardärs-Ästhetik eines salutierenden Amazontowers.[56] Zudem sind aus seiner Sicht mehr Flächen des Tempelhofer Feldes zu versiegeln.[57] Ein bisschen Quoten-Sozialbau kommt in Wegners Glas-Palästen als Staffage vor, weil zukunftsträchtige Glas- und Stahlpaläste billiges Reinigungspersonal und Diener:innen benötigen.[58][59]

    Gentrifizierung: Verarmung durch Miete 

    Vom Abstieg bedrohte Schichten im urbanen Raum unsichtbar zu machen, gelingt der klassistischen Schönheitschirurgie mit den neoliberalen Instrumenten des Marktes auf Kosten des sozialen Wohnungsbaus. „Wohnen macht arm“, heißt es laut einer aktuellen Studie des Paritätischen Gesamtverbands, der bezüglich Armutsgefährdungsquote die Wohnkosten miteinberechnete, wodurch die Anzahl von Armut betroffener Menschen faktisch höher ausfällt als jahrelang angenommen. Die Armutsquote junger Erwachsener liege bei mehr als 30%, bei Erwerbslosen (Bürgergeld) ist sie sogar doppelt so hoch.

    Bedeutet das, dass noch mehr gebaut werden muss, damit wohnen nicht mehr arm macht? Oder sollten Rentiers wie etwa Zahnärzt:innen  lieber nicht auf Wohnraum spekulieren, um aus Mieteinnahmen und Renditen Grundrenten zu erwirtschaften? Wohn-/Lebensraum als Aktie? Die FDP ist dafür: Sie wirbt für kapitalgedeckte Renten.Quellen: (1) Der Paritätische Gesamtverband. Studie belegt: Wohnen macht arm. Pressemitteilung vom 13. Dezember 2024.(2) Nokel, Caroline (25.01.2021) Deutschlandfunk Kultur. Altersvorsorge auf Kosten anderer [18.12.2024](3) FDP e.V. (30.09.2024). Das Altersvorsorgedepot – ein Gamechanger  Bremsung von Wohnraumförderung und Mietpreisbremse

    Unterdessen: Wohnraumförderung reduziert das Spardiktat um bis zu 200 Millionen Euro[60] und begrenzt Zuschüsse für soziale Wohnraumförderung massiv.

    Mit „der sozialen Wohnraumförderung“ sollten einmal Haushalte Unterstützung finden, „die sich am Markt nicht aus eigener Kraft angemessen mit Wohnraum versorgen können“.[61] Vulnerable Haushalte jedoch müssen nach Maßgabe der milliardenschweren Streichliste künftig ihre Resilienz an „alternativen Finanzierungsformen“ schulen lassen. [62] Werden die ohnehin schon prekarisierten Mietenden zäh genug sein, sobald im kommenden Jahr die Mietpreisbremse ausläuft?[63][64] (Edit: Immerhin, die Mietpreisbremse wurde bis Ende 2029 verlängert).

    Der Berliner Mieterverein bekundete schon einmal seinen Zweifel an Wegners Beteuerungen.[65] Und der CDU-nahe Grundrenten-Verband namens „Haus & Grund“ ist nur einer der lobbynahen und treudoofen Fans von gentrifizierendem Wohnungsbau und Hochhauswahn. In seiner Wuchermentalität verunglimpft „Haus & Grund“ alle sozialen Formen zur Minderung der Angebotsmieten als „falsche Therapien“.[66]

    Mythos „Bauen, bauen und bauen!“

    Bauland und Beton sind für jene Quacksalber indes die wirksamste Kur gegen steigende Angebotsmieten.[67] Dass diese aber mit jedem Zentner umweltfreundlichen Zement fallen sollen, geistert bis heute als Mythos im dunstigen Eigentums-Äther der Rentiers.[68]

    Wie kann es sein, dass trotz allem Bauaktivismus der letzten Jahre die Angebotsmieten heute im Schnitt bei über fünfzehn Euro pro Quadratmeter liegen, wo sie nur wenige Jahre zuvor bei viel zu hohen zehn Euro relativ stabil geblieben sind?[69] Wird da etwa in den Praxen neoliberaler Ökonomie seit Jahrzehnten die falsche Medizin verschrieben? Haben Sozialdemokratie und sozialer Wohnungsbau die Packungsbeilage „Eigentum, Schutz und Gemeinschaft“ des Spitzenverbands der privaten Wohnungswirtschaft nicht richtig gelesen?

    Wiegt die Schuld der Mietenden gegenüber Bank und Eigentümer:in doppelt auf den Schultern, bleiben neben finanziellen Alternativen wenigstens Umzug, Rückzug, Weiterzug oder Kältebus. Doch selbst auf letzteren Posten ist kein Verlass mehr, da „Krankenwohnungen für Wohnungslosesowie die Ambulanz am Berliner Bahnhof Zoo ebenfalls von […] Kürzungen betroffen“ sind.[70][71]

    Einnahmeseite: gepflegter Steuerbetrug

    Vielleicht hat Berlin weniger ein Ausgaben- oder Verteilungsproblem als vielmehr ein Einnahmeproblem?

    Betrachten wir einmal die Einnahmen-Seite, dann fällt der prominente Coup des Immobilien-Magnaten vonovia auf, der die einstige deutsche wohnen samt Immobilien aufkaufte, ganz geschmeidig, ohne einen einzigen Cent zu versteuern. Durch von vonovia praktizierte Share Deals entgingen dem Landeshaushalt Berlins bekanntlich Einnahmen von mehr als einer Milliarden Euro aus der Grunderwerbssteuer.[72] Als kleines Bonmot hatte zudem der Mieterverein bereits 2016 errechnet, dass dem Berliner Haushalt rund einhundert Millionen Euro jährlich entgingen über die immergleichen Kniffe der Spekulation.[73]

    Wie kann es also sein, dass die Sparfüchse Evers und Wegner derart obsessiv die Ausgaben im Blick haben — dass sie den Sparsamen und Enthaltsamen aus Kultur und Soziales so eifrig Sparsamkeit und Enthaltsamkeit empfehlen?

    Filz und Lobby-Interessen im Senat

    Einst hatte Wegner im Namen „fairer Mieten“ den nach seinen Worten „populistischen“ Mietendeckel weg geklagt,[74][75] während er als inoffizieller PR-Berater von Haus & Grund[76] die vermeinten Gutmensch-Praxen Berliner Mieterverein und Sozialdemokratie als unliebsame Träumer:innen denunziert.

    Aktuell sind jedoch die Vereinigten Staaten von Amerika noch weiter, als es sich Wegner erträumen lassen könnte: Während dort nämlich die ultrareiche Lobby für Privateigentum und shareholder value längst mit Stars wie Elon Musk die Hauptrolle in der Politik spielt, muss sich hierzulande eine vergleichbare Lobby noch mit der Rolle des Souffleurs begnügen.

    Nachdem wir die Therapieangebote fürs Wohnungsmarkt-Jeopardy unserer Metropole belichtet und hoffentlich verschmerzt haben, gehen wir nun zum nächsten weichen Bereich über, der ebenso schmerzlichen Verzicht leisten muss, darunter Kitas, Universitäten, ja Bildung und Erziehung überhaupt.

    3. BILDUNG & CARING & WISSENSCHAFT

    KITAS und JUGENDARBEIT

    Der SPD-Fraktionsvorsitzende Raed Saleh versprach, dass es keinen „sozialen Kahlschlag geben“ werde. Kahlschlag zwar nicht, versicherte er seelsorgerisch, aber „Schmerzen“.[77] Was wird als Schmerzmittel empfohlen? Mehr Wettbewerb und Resilienz. Davon sollen Care-Arbeiter:innen aus Kinder- und Jugendarbeit, Erziehung und Bildung bis zum Umfallen zeitnah mehr aufbringen.

    Die Mode weist in die Richtung proppenvoller Schulklassen, insbesondere an Grundschulen.[78] Berlin ist sowieso schon Spitzenreiter im Lehrer:innen-Mangel. Mit steigender Tendenz findet immer mehr Frontalunterricht statt, während gesundheitliche Risiken bei Care-Worker:innen dramatisch zunehmen.[79] Die Flegel Saleh, Evers und Wegner krakeelen den Lehrkräften spitzbübisch von den Hinterbänken des Senats-Klassenzimmers aus zu, dass sie einfach „noch wirtschaftlicher zu arbeiten“ hätten. Ganz einfach. Der Aufschrei gegen diesen pennälerhaften Senatstumult bleibt vielen entkräfteten Care-Arbeiter:innen aus gesundheitlichen und nachvollziehbaren Gründen allerdings im Halse stecken,[80] aus rechtlichen Gründen bald ebenso, wenn künftig Lehrkräfte ihre Stressreduktion in der wiedereingeführten Verbeamtung aufsuchen müssen, sofern sie aus ungenügender „Resilienz“ nicht gleich kündigen.[81] Der „soziale Kahlschlag“ erfolgt also eher leise im Hintergrund.

    Jenseits des Atlantiks, nebenbei bemerkt, erfolgt ebenfalls ein sozialer Kahlschlag (nicht nur in den USA): in Argentinien nämlich. Dort malträtiert ein breit-grinsender Technokrat symbolisch und vorbildlich mit einer Kettensäge die Zivilgesellschaft samt Wohlfahrtsstaat.[82] Das ist allerdings nicht der Stil der deutsch-neoliberalen Politik: Hier wird wie in guten alten Zeiten noch mit dem Fuchsschwanz der Ast abgesägt, auf dem man sitzt. Bei dieser allmählichen Prozedur mögen Zwischenrufe à la „Wer bei Bildung, Jugend und Hochschule kürzt, zahlt am Ende teuer drauf!“[83] nicht die Sägemänner bei ihrer Arbeit stören.

    Immerhin kann kaum eine andere Stadt wie Berlin so stolz sein auf seinen Boom an Privatschulen.[84] Aus Sicht unserer verehrten „Therapeuten“ der Berliner Koalition ist die Privatwirtschaft doch, wir erinnern uns, eine „Win-win-Situation für alle“. Eine begünstigende Nebenwirkung hat die Privatschulen-Bewegung obendrein: Die Segregation zwischen armen und wohlhabenden Schüler:innen nimmt laut Studien langsam aber sicher zu; der Weizen betuchter Schichten trennt sich von der Spreu der NETTO-Prospekt-Schichten.[85]

    Doch auch die sanierungsbedürftigen Hochschulen können dem baufälligen Haushalt nicht entrinnen.[86][87] Das Umverteilungspaket von CDU und SPD sieht in diesem Etat Einsparungen von über 50 Millionen Euro vor,[88] um Haushaltsrücklagen für priorisierte Projekte einzusetzen: Die Flächen des ehemaligen Flughafen Tegels etwa sollen aller Voraussicht nach in ein hochglänzendes Stahlbad umgewandelt werden aus High-Tech und Büro mit modernster Hochschule für Technik.[89][90]

    Die Pilotprojekte des Senats setzen den Akzent auf Neubau, die Sanierung heruntergekommener Hochschulen muten zu spröde an. Und Studierende mögen ihr Katzengejammer befürchteter Steigerungen des Semesterbeitrags einstellen, schließlich müssen ja alle gemeinsam und allein die prognostizierten Schmerzen ertragen.

    So dürfen sich Care-Arbeiter:innen und Studierende mehr als zuvor in Mäßigung und Verzicht üben im Interesse eines vermeinten, maroden Haushalts. Anstatt nostalgisch die Zeit bei Studierenden-Feiern zu verausgaben, kann sie künftig in zusätzlicher Lohnarbeit verdingt werden (allein bei diesem Gedanken schnalzt der BILD-Leser vor Freude). Zum Feiern dürfte jedenfalls anderen zivilgesellschaftlichen & demokratiebildenden Akteur:innen aus Kunst und Kultur erst recht nicht zumute sein.

    4. KUNST und KULTUR

    Aus Volksbühne wird Volkswagenbühne

    Im Ressort Kultur hallt Wegners Wirtschaftlichkeits-Imperativ besonders quälend nach. Der vom Etat her winzigste Posten im Berliner Landeshaushalt muss das Einsparpotenzial mit mehr als 130 Millionen Euro zu spüren bekommen. Wegner verlautet dazu gewerbsmäßig in ritueller Totenklage, dass ihm „die Entscheidungen für den Kulturbereich schmerzten“.[91]

    Rezepte und Coachings für Künstler:innen

    Wie arbeitet eine Einrichtung wirtschaftlicher? Indem sie Verzicht leistet, das heißt Honorare kürzt, Mitarbeitende entlässt, Produktionen streicht und am Ende Lücken öffentlicher Förderungen mit privatem Anlagekapital stopft. Kreditfinanzierung und mehr Sponsoring heißen diese uns Akteur:innen aus Kunst und Kultur verordneten Arzneien, die manch ein Feuilleton vom Logenplatz der bürgerlichen Mitte aus als einen „vielleicht guten Gedanken“[92] rezensiert.

    Mit anderen Worten: Es klingt gar nicht so verkehrt, wenn Holdings und Startups an den Drehbüchern und Choreographien rumfummeln. Der vormalige Anlageberater im Kostüm eines Kultursenators, Joe Chialo, empfahl mal ästhetische oder mal ökonomische Tugenden wie „Resilienz, Exzellenz und Partizipation“.[93]

    Bürgerliche Feuilletons zeigen Verständnis

    An einer Stelle heißt es im selben neutralisierten Artikel, nehme der „etwas ängstlich“ wirkende Joe schalkhaft das Wörtchen „Alimentierungsmentalität“ in den Mund, sobald er kichernd über die Berliner Kulturszene monologisiert, „aber das tut er leise“. Dann probieren’s die Autor:innen des betreffenden ZEIT-Artikels hin und wieder mal mit soziologischer Diagnose — dass doch irgendwie was an dieser von Joe belächelten Mentalität oder Gesinnung dran sei in diesem „Nischenmekka Berlin“.[94]

    Der Kai würde seinem gesinnungstreuen ZEIT-Feuilleton zuzwinkern mit den Worten: „Ich glaube, wir müssen wegkommen von der Mentalität: Wir brauchen mehr Geld vom Staat“.[95] Haben da unten auf den Bühnen, Tribünen und Parketten die „kleinen Paschas“[96] einfach zu viel am Staatsbuffet diniert? Was der besagte ZEIT-Artikel in seinem bornierten Mindset beschreibt und beneidet — das könnte so auch ohne Feuilleton-Puder der rechte Rand von der AfD-Bühne murren.

    DER KALTE oder DER WEICHE KULTURKAMPF

    „Wenn ich das Wort Kultur höre, entsichere ich meinen Revolver“[97]

    Schon lange wappnete sich der rechte, neo-faschistoide Rand für seinen Kulturkampf gegen die „Irrwege der Moderne“. Seine Köpfe und „Querdenker“ schüchtern die Repräsentant:innen der Berliner Häuser brutal ein — durch ihre Rhetorik fühlen sich die auf den Startrampen lauernden Nazis ermutigt, mit Drohbriefen und Hate Speech Kulturschaffende vor sich herzutreiben und ihnen gar mit dem Tode zu drohen[98][99].

    Die AfD kann Beifall klatschen, weil ihrer Fraktion durch die Kürzungen Arbeit wird in ihrem Kulturkampf gegen die „Alimentierungsmentalität“[100] der „Gesinnungstheater“ (und gegen die Kunstfreiheit überhaupt).[101] Endlich hat die viele Antragstellerei der AfD zur Stutzung öffentlicher Kultur-Budgets ein Ende; die Instrumente der anständigen Marktwirtschaft nehmen der AfD die unanständige Arbeit ab.

    Haben sich die Theater für zivilgesellschaftlichen Zusammenhalt gegen rassistische Ideologien der AfD positioniert (wie etwa vor gut sieben Jahren im prominent gewordenen Fall der Intendanz des Friedrichstadt-Palastes), so forderte etwa der AfD-Abgeordnete Dieter Neuendorf in einem Antrag die Kürzung der Subventionen um zwölfeinhalb Prozent. Und das war von ihm gedacht als Maßnahme eines, so wörtlich, „qualifizierten Sperrvermerks“, um die Ensembles aus ihrem „Nischenmekka“ heraus wieder in den Dienst der „Bürgerlichen Mitte“ zu peitschen.[102] AfD will ihren Kulturkampf durchsetzen, Wegner bittet um Verständnis, ihn bereits durchgesetzt zu haben.

    Sehen wir uns stichprobenartig zwei Auszüge aufhetzender AfD-Propaganda an. Vor sechs Jahren bereits monierte der histrionische AFD-Abgeordnete Hans-Joachim Berg schäumend:

    »Mit seinem infamen Aufruf spannt sich das Gorki-Theater erneut vor den gesinnungspolitischen Propaganda-Karren der vereinigten Linken in Berlin, anstatt seinem freiheitlich-pluralistischem Kulturauftrag gerecht zu werden! Auch wenn den Berlinern einschlägig bekannt ist, dass das Maxim Gorki Theater (und andere Bühnen der Stadt wie das Deutsche Theater) seine ‚Kunstfreiheit‘ zum Gesinnungskampf gegen die Freiheit Andersdenkender missbraucht, werden wir immer wieder auf die ideologischen Liebesdienste der Berliner Gesinnungstheater hinweisen.« [103]

    Gut sechs Jahre später dürfen wir Herrn Berg beruhigen: Kai ist seinem „Kulturauftrag“ gerecht geworden. Er hält aber Distanz zum groben Zwanzigsten-Jahrhundert-Jargon eines Hans-Joachim und verflucht im ökonomisch-moralischen Jargon die Mentalität „Wir-brauchen-mehr-Geld-vom-Staat“.

    Derselbe AFD-Abgeordnete hatte davor vergebens beantragt, die Zuwendungen für das Deutsche „Gesinnungstheater“ (DT) zu kürzen:

    »Wir sind der Auffassung, dass es nicht die Aufgabe von Kunst (…) ist, sich in den Gesinnungsdienst eines bestimmten Meinungskartells zu stellen. (…) Selbstverständlich kann Herr Khuon Gesinnungstheater und Propagandatheater machen. Der Punkt ist nur: Das kann er nicht mit Steuermitteln machen. Es geht (…) um die Frage (…), ob der Staat Gesinnungstheater finanziert. Es kann nicht die Aufgabe von öffentlichen Mitteln sein, Gesinnungstheater zu finanzieren. (…) Und deswegen sind wir für das Streichen der Zuschüsse für das Deutsche Theater. – Danke schön.«[104]

    Heute kann Berg zu Wegner & Chialo für ihren geleisteten Kulturabbau (drohende Insolvenz der Schaubühne)[105][106] „Danke schön“ sagen.

    Freie Szene & etablierte Szene – Effekte der Entsolidarisierung

    Doch auch die anderen „kleinen Paschas“ in der Völlerei-Nische freie Szene treffen die Diät-Maßnahmen. Die für postmigrantische Inklusion stehende Berlin Mondiale etwa oder der gemeinnützige Kulturraum Berlin GmbH müssen von der Liste der Nice-to-haves künftig weichen, [107] etwa 3000 Künstler:innen und Choreograph:innen verlieren ihre Räume.[108]

    Während die freie Szene ums Überleben gegen Wegners Rotstift kämpft, konnten die großen Bühnen Berlins ein paar Schäfchen ins Trockene bringen. Die öffentliche Strahlkraft großer Häuser — etwa durch Protestmärsche und an der Schaubühne geführte Debatten — hatten zumindest stellenweise als wirksamer Schild gegen die Kürzungen gewirkt. Daraufhin sahen sich bedeutende Teile des Ensembles der Schaubühne bestätigt — und auch nicht mehr genötigt, an einer der größten Protestzüge am 15. Dezember, gemeinsam mit anderen Akteur:innen aus Kunst und Kultur, gegen die Einschnitte anzulaufen.[109][110]

    Entzweiung und Entsolidarisierung unter Kultur-Akteur:innen sind wirksame, psychologische Mittel gegen die „Irrwege“ der „Alimentierungsmentalität“. Doch hatten es die großen Häuser tatsächlich ihrer Medienpräsenz und einer größeren Lobby zu verdanken, wodurch sie Kürzungen an ihren Ensembles abmildern konnten? Oder liegt es nicht in gewissen Teilen an den hierarchischen überwiegend männlich dominierten Machtstrukturen jener Häuser selbst, die zusätzliche Sympathie bei den Senatsspitzen einheimsten?[111]

    5. Von der Ästhetik zur Athletik

    Klar ist, dass der moderate Kulturkampf des Senats das Rampenlicht von Ästhetik und Caring auf Kontrolle und Athletik verschiebt (Kai Wegner inszeniert sich leidenschaftlich gerne als Tennisspieler[112]). Zum einen hat der angeblich verfallene Haushalt Berlins noch umfassende Kapazität für folgende athletische Posten und Posen:

    NFL-Spiele

    12,5 Mio. €

    Berlin möchte die National-Football-League nach Berlin holen. Der rbb berichtet: „Konkret geht es um Spiele zwischen 2025 und 2029. Berlin […] rechnet mit einem Image-Gewinn sowie einem wirtschaftlichen Mehrwert für die Stadt. Vor allem durch nationale und internationale Besucher[*!], die den Tourismus nachhaltig ankurbeln sollen.“ Die Antwort auf die Frage, warum der Football eher „wirtschaftlichen Mehrwert“ impliziert als Investitionen in den Kulturbetrieb, bleibt uns Wegner schuldig.  

    Quelle: rbb24 (2024, 12. November). Berlin bewirbt sich offiziell um NFL-Spiele im Olympiastadion. [10.12.2024]

    Fan-Meile

    24 Mio. €

    Die Produktion der Fanmeile am Brandenburger Tor und vor dem Reichstag dienen dem Wohle künftiger Deutschlandfahnen-hissender Fans, denn Berlin braucht EM, FIFA und Tore sowie Schwarz, Rot und Gold statt „Gesinnungstheater“ und psychologische Dienste an Hochschulen.

    Quelle: rbb24 Inforadio (2024, 06. Juni). Produktion der Fanmeilen in Berlin kostet rund 24 Millionen Euro

    SEZ-Gelände

    Abriss von Wahrzeichen der DDR-Architektur wie dem Sport- und Naherholungszentrum SEZ geht eigentlich immer. Vor rund zwanzig Jahren hatte es samt Grundstück noch Berlins personales Wahrzeichen des Kahlschlags schlechthin, Thilo Sarrazin, für einen symbolischen Euro verschenkt. Dann holte der Senat das marode Freizeitbad zurück (weil es laut Vertrag vom Eigentümer nicht entsprechend ausgebaut wurde), um anschließend das ganze Gebäude in einen abrissreifen Zustand übergehen zu lassen — mit dem Argument, dass auf dem Areal etwa 500 Wohnungen entstehen sollen.

    Klingt erstmal gut, wenn nicht die Mietenden die Abrisskosten indirekt über Mietgebühren finanzieren müssten; zumal Abriss in Zeiten von Umnutzung, Bauen im Bestand längst nicht mehr zeitgemäß ist. Aber gut, wann ist dieser Senat je auf der Höhe seiner Zeit?

    Quelle: Waßmuth, Carl (2024, 30. August). Berliner Zeitung. SEZ in Friedrichshain: Abriss oder Sanierung? Berliner kämpfen um einstiges DDR-Freizeitparadies

    Quelle: rbb24 Inforadio (2024, 25. September). Senat will SEZ-Gelände zwangsräumen und abreißen lassen [14.01.2025]

    Abriss des Jahn-Sportparks

    300 Mio. €

    Was könnte gerade jetzt wichtiger sein als der kostenintensive Abriss des Jahn-Sportparks? Erst schien er zu einem märchenhaften Riesenhotel für Spatzen- und Fledermausfamilien zu werden. Doch dann rief die anti-ökologische Realpolitik des Senats den Abrissball auf den Plan: Der Abriss demoliert den Haushalt um mindestens 300 Millionen Euro. Vogel- und Fledermausarten werden nicht entschädigt.

    Quelle: Struwe, Sebastian (2024, 19. November). Berliner Morgenpost. Haushalts-Hammer für Jahn-Sportpark: 300-Millionen-Plan tot. [18.12.2024]

    Olympische Spiele

    Irgendetwas zwischen 40 und 1000 Mio. €

    Berlin zeigt athletische Urteilskraft: Viele der potenziellen Austragungsorte für die olympischen Spiele sind aktuell in einem semi-kosmopolitischen Zustand wie etwa das Steffi-Graf-Stadion, die Messe Berlin, das Olympiastadion, der Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark, das Sportforum, die Mercedes-Benz-Arena usf.

    Es wäre müßig, all die vermuteten Kosten und Posten, die die Olympia-Bewerbung und ihre Umsetzung mit sich brächten, zusammen zu rechnen, doch darf man aufgrund der Erfahrungen mit dem BER-Flughafen die veranschlagten Baukosten um den Faktor drei, vier oder fünf multiplizieren, so dass wir am Ende irgendwann auf knapp eine Milliarde Euro oder mehr kommen. Was haben marode Sportstätten, was morsche Schule nicht haben?

    6. Schwerpunkt Polizei

    Neben teuren Abrissbirnen und vitalen Fanmeilen hat der Berliner Senat noch einen ganz pikanten Schattenhaushalt im Abseits. Von ihm profitiert diesmal Berlins Polizei, Kai Wegners ausdrücklicher „Schwerpunkt für den Senat“.[113][114] Sein polizeilicher „Schwerpunkt“ durfte sich vor Monaten über muckelige Budgets für neue Winterbekleidung freuen.[115][116][117] Bodycams und Elektroschockpistolen wurden zudem als kreatives Sicherheitsbesteck mitgeliefert.[118][119]

    Wenige Augenblicke vor Bestell-Absendung der kostspieligen Polizei-Requisiten entrüstete sich die vermutete Lieblingszeitung von Wegner und Evers noch über die „untragbare Situation“ der frierenden Berliner Polizei[120] (weniger beliebte Blätter berichteten indes von erfrorenen obdach- und wohnungslosen Menschen)[121][122][123]. Während Kultur, Soziales und Umwelt die zweite Geige spielen, klimpert die Berliner CDU-Fraktion unaufhörlich ihren heimatlichen „Dreiklang aus Prävention, Intervention und Repression“.[124]

    Zu diesem pfeifenden Ordnungs-Akkord gehören schließlich Sonderinvestitionen für die chronisch unterfinanzierten Schutzmänner[*!].[125] Die Berliner CDU-Fraktion wünschst sich, „dass der Schutzmann an der Ecke wieder zum normalen Straßenbild gehört“.[126]

    Bemerkenswert an fiskalischer Austerität, also die Kürzung sowie Umverteilung öffentlicher Budgets, ist, dass sich dabei der Schwerpunkt konservativer Fiskal-Politik notwendig auf die Register Sicherheit und Ordnung verschiebt, womöglich verschieben muss, wenn es stimmt, dass mit wachsender Austerität und Demokratie-Entleerung zugleich die Hasskriminalität zunimmt.[127]

    7. Budget-Cuts jenseits Berlins

    Eine kurze Übersicht

    Über 10% der Mittel für Kultur sollen außerdem in Städten wie München, Dresden, Köln, Braunschweig und den Ländern Berlin und Thüringen gestrichen werden (laut Bundesverband bbk). Offenbar entwickelt sich ein wie in der Einleitung angedeuteter, bundesweiter Trend Richtung Austerität, denn in sämtlichen auf Gemeinwohl orientierten Bereichen finden enorme Kahlschnitte statt, wie sie im seit 1945 nicht mehr dagewesen Ausmaß statt:[128]

    Nordrhein-Westfalen

    Sozialverbände prognostizieren „so viele Kürzungen wie nie zuvor“. Die Regierung unter schwarz-grün streicht im sozialen, gemeinnützigen Bereich Mittel in der Höhe von „83 Millionen Euro“ Sie warnen vor dramatischen Folgen. Gestrichen werden insbesondere die Arbeit in Suchthilfezentren, „Familienberatungen sowie Angebote für geflüchtete und ältere Menschen“.

    Quelle: https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/kuerzungen-im-sozialbereich-landesregierung-100.html

    Dresden

    In Dresden bildete sich erst kürzlich ein breites Bündnis der freien Szene gegen den sozio-kulturellen Kahlschlag. Betroffen durch Budget-Cuts sind Kitas, „Beratungsstellen mit Demenz, Schulsozialarbeit, Suchtberatung, Kinder- und Jugendarbeit sowie Hilfsangebote für Migrant:innen“. Das bedeutet also der Euphemismus „sparen“.

    Quelle (1): https://www.gew-sachsen.de/aktuelles/detailseite/protest-gegen-kuerzungen-in-dresden

    Quelle (2): https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/dresden/sozialarbeit-streetworker-safedd-kuerzung-stadtrat-100.html

    Quelle (3): https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/dresden/protest-kuerzungen-kultur-offener-brief-kultur-news-100.html

    Schleswig-Holstein

    Kürzungen werden besonders hart im Bereich Bildung vorgenommen: Die Gewerkschaft Erziehung und Bildung übergab der Bildungsministerin in einem symbolischen Akt Cent-Münzen, die sie im gesamten Land sammelte, da sich Care-Worker:innen überfordert und im Stich gelassen fühlen; „Schüler:innen können immer schlechter lesen, schreiben und rechnen“. Zudem: an Gymnasien und Gemeinschaftsschulen werden rund 180 Stellen willkürlich gestrichen.

    Quelle (1): https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Lehrerprotest-gegen-Kuerzungen-bei-Bildungsausgaben-in-SH,shnews1656.html

    Quelle (2): https://www.klassegegenklasse.org/wenn-der-rotstift-regiert-kuerzungen-in-berlin-und-bundesweit/

    München

    Selbst oder sogar München zieht bei Budget-Cuts ordentlich mit, aber bisserl weniger aggressiv als das „Nischenmekka“ Berlin. Hier wie dort müssen die Kulturträger:innen am meisten verschmerzen: „Die Summe ist happig: Mindestens 200 Millionen Euro will die Stadt München im Haushaltsjahr 2025 einsparen, wovon knapp 17 Millionen auf das Kulturreferat entfallen sollen […], obwohl der Anteil der Kultur bei den Gesamtausgaben der Stadt nur drei Prozent beträgt.“

    Warum muss die Kultur eigentlich mehr sparen als andere Ressorts? „Das liege daran“, so erklärt uns der Münchner Kulturreferent Anton Biebl, „dass bei anderen Referaten Beträge aus der Berechnung genommen werden, die für gesetzlich festgeschriebene Aufgaben vorgesehen sind. ‚Dadurch, dass aber Kunst und Kultur als komplett freiwillige Aufgabe gesehen wird, sind wir mit unserer gesamten Budgetsumme in der Einsparsumme.‘ […].“ Moment, weil Kunst und Kultur „freiwillige Aufgaben“ sind, die Spaß machen, wird an „gesetzlichen Aufgaben“, die keinen Spaß machen, nicht gespart?

    Quelle: https://www.br.de/nachrichten/kultur/muenchner-sparplaene-wie-viel-kuerzungen-vertraegt-die-kultur,URT6X7B

    Fazit

    Senate & Stadträte läuten die „Zeitenwende“ selektiven Kahlschlags ein. Globale Krisen wie auch der Krieg in der Ukraine dienen als anlassbezogene Aufhänger für Schuldenbremse und Kürzungen. All die obigen Ausschnitte teils oder ganz kahlgeschorener Bereiche für Demokratiebildung & freiwilliges Engagement, demonstrieren, dass die Maßnahmen im Namen abstrakter Haushaltskonsolidierung rein von Lobby-Interessen & rechts-konservativer Akteur:innen mitgestaltet sind. Die AfD kann Punkte ihres rechtsextremen Portfolios abhaken, weil sie die extremer werdende Mitte mit ihrem Portfolio der Rechtsstaatlichkeit im Dienste des Finanzkapitalismus entlastet.

    Ein von Sprecher:innen des Privateigentums beeinflusster, wirtschaftlicher Diskurs steht für gesellschaftliche und ästhetische Härte. Ihre Erscheinung werden symptomatisch ablesbar an der Magnetschwebebahn, der Skyline, der A100, dem Wohnungsbau. Am augenscheinlichsten spürbar wird die neue Härte an mangelnder inklusiver Nachwuchsförderung, demokratiebildender Jugend- und Frauen-Initiativen. Insgesamt erfolgt ein deutschlandweiter — nein, globaler, gesellschaftlicher Rollback durch eine ideologische Allianz aus rechtskonservativen Hardlinern mit Expert:innen politischer Ökonomie, in der die allgemein gesellschaftliche Verantwortung aller wie in den entsicherten Jahrzehnten seit den 70er Jahre aufs Individuum verschoben wird. Im Folgenden versuche ich den theoretischen Überbau dieser konservativen Revolution zu kommentieren, auf seine strategischen und sprachlichen Muster einzugehen. Was dieser Bewegung zur Seite steht ist ein ökonomistischer Diskurs, in dem die Ökonomie selbst die Autorität einer exakten Wissenschaft annimmt, die ihre Prinzipien technokratisch der Politik diktiert. Aus ihrer harten Exaktheit setzt sie nicht erst seit der Corona-Pandemie Imperative, die nicht nur auf individueller wie auch kollektiver Ebene Weisen unseres Handelns regelt, sondern auch Weisen unseres Sprechens.


    [1] Pressemitteilung (2024?). Bundesarbeitskreis Arbeit und Leben e.V.

      Geplante Kürzungen in der Politischen Bildung [16.01.2025]

    [2] Freilich. Freilich Magazin 2025. Sachsen-Anhalt: AfD will Landeszentrale für politische Bildung abschaffen [20.01.2025]

    [3] Offener Brief Demokratiebildung in Berlin gefährdet (2023, 25. August) [16.01.2025].

      BIG e.V. – Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen.

    [4] Meyer, Thomas (2018, 23. Spetember). Deutschlandradio. Beitrag erschienen beim Deutschlandfunk. Vgl. auch: Monitor. Das Erste. „Konservative Revolution“? Wie die CSU mit ihrem Rechtskurs Stammwähler verprellt (2018, 11. Januar)

      Konservative RevolutionAnschwellender Revolutionsgesang [18.01.2025]

    [5] radioeins (Sendung vom 19.12.2023, 17:10 Uhr). Online abrufbar bei rbb24:

      AfD-Antrag im Brandenburger Landtag Kulturkampf um Sexualaufklärung [16.01.2025]

    [6] Gordon, Rebecca (2024, 16. Februar). Fair Observer.

      Introducing MAGA’s War on the Truth — and Libraries [16.01.2025]

    [7] Dawson, Juno (2021, 19. Dezember). TheGuardian.

      It’s 2021 and once again they’re banning books. What message does that send? [16.01.2025]

    [8] Kaval, Allan (2025, 20. Oktober). Le Monde.

       In Italy, budget cuts and targeted taxes to reduce abysmal public debt [18.12.2024]

    [9] radiofrance (2024, 28. Februar). Coupes budgétaires dans la culture : les syndicats vent debout [18.12.2024](Fr)

    [10] Lefebvre, Lila (2024, 10. April). ici 2024.

       Coupes budgétaires dans la Culture : „L’offre va s’appauvrir“, s’inquiète la directrice du Volcan au Havre [18.12.2024](Fr)

    [11] Gayot, Joëlle (2024, 6. Dezember). Le Monde.

       Pays de la Loire : des élus s’inquiètent des coupes budgétaires pour la culture [18.12.2024](Fr)

    [12] Cabric, Nemanja (2013, 25. März). BalkanInsight.

       Experts Lament Serbia’s Cultural Downfall [18.12.2024]

    [13] ARTE Europa Weekly (2024). ARTE.

       Wie bedroht ist die Kultur in Europa? [18.12.2024]

    [14] ebd.

    [15] Tracks East (2024, ZDF, Deutschland). ARTE.

        Goldene Zeiten für Populisten [14.01.2025]. Vgl. besonders den dritten Teil über Bratislava ab Min. 19:42.

    [16] Mercédesz, Hetzmann (2024, 23. September). Daily News Hungary.

       Major cuts announced in Orbán’s 130-point austerity plan [18.12.2024]

    [17] euronews. (2024, 31. Dezember).

       Romania’s new government approves new economic plan aimed at slashing deficit, state spending [14.01.2025]

    [18] Zehntausende Rumäninnen und Rumänen stellten sich kürzlich in Massenprotesten hinter den als rechtsextrem und prorussisch geltenden Präsidentschaftskandidaten Calin Georgescu. Vgl.: Tagesschau (2025, 12. Januar). Zehntausende demonstrieren für Georgescu [14.01.2024]

    [19] Parth, Christian und Tilman, Steffen (2025, 16. Januar). Aus ZEIT Nr. 03/2025

        Ihr wahres Gesicht [16.01.2025]

    [20] „Irrweg der Moderne“: Die AfD und das Bauhaus, https://www.daserste.de/information/wissen-kultur/ttt/bauhaus-afd-kulturkampf-100.html

    [21]Begrich, Pascal; Kulturkampf von Rechts; https://www.miteinander-ev.de/wp-content/uploads/2022/03/1712-miteinanderthema5-Kulturkampf-von-rechts.pdf

    [22] Ich weigere mich, die AfD kontrafaktisch und verharmlosend als „in Teilen rechtsextrem“ zu bezeichnen (der Fisch stinkt vom Kopf her). Diese Partei ist rechtsextrem und, wie ekelhaft, auch noch stolz darauf.

    [23] Laudenbach, Peter (2024 August). Blätter.

       »Die Entsiffung des Kulturbetriebs« Der rechte Angriff auf Kunst und Medien (Bezahlinhalt) [15.01.2025]

    [24] Berins, Lisa & Bielert, Silvia (2024, 29. August). Frankfurter Rundschau.

      AfD und Landtagswahlen: Kampf gegen die Kunstfreiheit [04.01.2024]

    [25] Tagesspiegel (2023, 17. Juni). „Ampel betreibt Kulturkampf“: Spahn wirft Regierungskoalition Überforderung der Bevölkerung vor [17.12.2024]

    [26]  Kräher, Lisa (2024, 13. November). Übermedien.

        Please Stärke Christian Lindner! [23.12.2024]

    [27] ZEIT ONLINE (2024, 15. Januar). Veröffentlicht auf: YouTube.

        Christian Lindner spricht beim Bauernprotest in Berlin [17.12.2024]

    [28] Armbrüster, Tobias (2024, 27. November). Deutschlandfunk. Interviews.

        Wirtschaftskrise – Merz: Deutsches Geschäftsmodell ist am Ende

    [29] tagesschau (2024, 14. Januar). Spahn will härtere Sanktionen beim Bürgergeld [15.01.2025]

    [30] Lindner, Nadine (2024, 8. Dezember). Deutschlandfunk. Interview der Woche.

        Alice Weidel – AfD will Ukraine keine Finanzhilfen mehr zukommen lassen

    [31] Das Akronym steht für Trumps Anhänger:innen (MAGA = Make America Great Again).

        Vgl. den Artikel Make America Great Again bei Wikipedia.

    [32] Vgl. auf dem hetzerischen Medien-Start-Up NIUS veröffentlichte Einträge wie z.B. „Nach dem Kollaps der Ampel und dem Wahlsieg von Trump müssen wir mehr Kulturkampf wagen“ (2024, 8. November) des rechtskonservativen Redakteurs Alexander Kissler. Hinter dem Propaganda-Start-Up steht kein geringerer als der misogyne, ehemalige Vorsitzende der Chefredaktionen, Julian Reichelt, von der BILD-Zeitung.

    [33] Stimmt! Der Nachrichten-Talk. Veröffentlichungen auf YouTube. [17.12.2024]

    [34] Sirotnikova, Miroslava (2024, 22. Oktober). Reporting Democracy auf Balkan Insight.

       The Slovak Prime Minister’s War on ‘Progressives’ [17.01.2025]. Vgl. auch auf demselben Portal erschienen:

       Peter Dlhopolec, Edit Inotai, Jules Eisenchteter and Claudia Ciobanu (2024, 09. August).

       Democracy Digest: Slovak Culture Wars [17.01.2025]

    [35]  Wahlkampfslogan der Berliner CDU anlässlich der Abgeordnetenhauswahl 2023

    [36]  Leffler, Björn (2024, 21. November). Entwicklungsstadt Berlin.

         Der letzte Sargnagel? Senat streicht Tramstrecke zum Potsdamer Platz [10.12.2024]

    [37]  Prengel, Tobias Haiko (2023, 13. Februar). DER SPIEGEL.

         Wie die CDU erfolgreich Angst ums Auto schürte [10.12.2024]

    [38]   Während die rechtsextremistische Unterwanderung auf „Remigration (Deportation) abzielt [correctiv, 10.01.2024], Umsturz des Staates plant [tagesschau.de, 07.12.2022], Verbände und Vereine infiltriert [DLF, 10.10.2020], Hatz gegen Migrant:innen treibt [journalist.de, 01.10.2018], Jagd auf Journalist:innen macht [15.09.2021] und Pogrome gegen Unterkünfte für Geflüchtete durch führt [Amadeu Antonio Stiftung, 20.02.2023] — Halle und Hanau dürfen nie vergessen werden — fürchten sich Vertreter:innen der FDP und CDU/CSU vor der „Unterwanderung durch löslichen Klebstoff und abwaschbare Farbe, die zwar keine Menschenleben bedroht und auslöscht, dafür aber deutschnationale Symbole beschmiert: Brandenburger Tor und mehrspurige Schnellstraßen.

           Christian Lindner spricht beim Bauernprotest in Berlin (2024, 15. Jan.). Mitschnitt von ZEIT ONLINE. Online verfügbar auf YouTube unter: https://www.youtube.com/watch?v=TAgMUHeHs34ab (Vgl. Min. 3:20 bis 3:45)

    [39]  Newsletter (2022, 11. November) der CSU-Landesgruppe. Klima-RAF verhindern! [12.12.2024].

    [40]  Visit Oslo. Umwelthauptstadt Europas 2019.

         Eine Stadt für die Zukunft [10.12.2024]

    [41]  rbb24 Abendschau (2023, 13. Dezember, 19:30 Uhr) 

         Schlangenbader Tunnel soll nun doch saniert werden. [10.12.2024]

    [42]  Schlegel, Martin. Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND), Landesverband Berlin.

         Straßenneubau [10.12.2024]

    [43]  Engler, Stephanie (2024, 31. Oktober). Entwicklungsstadt Berlin.

         „TVO“ auf der Kippe? Kosten und politische Hürden belasten Straßenbauprojekt [10.12.2024]

    [44]   A100 — Milliardenteure Verwüstung  BUND Berlin e.V.

          (Publikation als PDF-Flyer des BUND) [Download-Link PDF, 10.12.2024]

    [45]   rbb24 Inforadio (2024, 18. September, 14:00 Uhr).

          A100-Ausbau soll mit 1,8 Milliarden Euro nochmal deutlich teurer werden. [10.12.2024]

    [46]  Schneider, Sebastian (2022, 30. März). rbb|24.

         Wie die geplante A100-Verlängerung Bund und Senat entzweit [Seite nicht mehr vorhanden, 02.07.2025]

    [47]  Klausurtagung des CDU Landesvorstands (2022, 1. und 2. April). CDU Landesverband Berlin. A100 soll zur Klimaautobahn weiterentwickelt werden [02.07.2025]

    [48]  ebd.

    [49]    Zum Vergleich: Parkausweise für Anwohner:innen in Berlin kosten rund zehn Ocken pro Jahr, in Frankfurt am Main zehnmal so viel. Knapp 1,24 Millionen zugelassene Pkw in Berlin hätten da ein ganz schönes Subventionspotenzial für „grünere & öffentliche Mobilität“ (https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2024/11/Karte-Millionen-Parkplaetze-Berlin.html)

    [50]  Schneider, Sebastian (2024, 25. November). rbb|24.

         Warum Anwohnerparken in Berlin trotz Sparzwangs so günstig bleibt. [12.12.2024]

    [51]  Bernau, Nikolaus (2024, 25. November). Tagesspiegel.

         Kai Wegners verfehlte Wohnungspolitik: Nur Bauen, Bauen, Bauen reicht nicht mehr. [10.12.2024] €

    [52]  Thewalt, Anna (2024, 21. Oktober). Tagesspiegel.

         „Da steht gar nichts vor dem Aus“: Verwirrung um Magnetschwebebahn in Berlin. [10.12.2024] €

    [53]  ebd.

    [54]  Neuman, Peter (2023, 24. November). Berliner Zeitung.

          Magnetschwebebahn für Berlin: Was unsere Stadt viel dringender braucht. [10.12.2024] €

    [55]  Thewalt, Anna. ebd.

    [56]  Walther, Yannic (2024, 2. Dezember). taz.

          Der Regierende wünscht sich eine echte Skyline [12.12.2024]

    [57]   Maroldt, Lorenz (2024, 20. März). Tagesspiegel.

          Kai Wegner als Feldherr: Berlins Wohnungsproblem wird nicht in Tempelhof gelöst [11.12.2024]

    [58]    Serie „Die neuen Diener“, Der Zeitdruck der Zustellenden. deutschlandfunkkultur.de. https://www.deutschlandfunkkultur.de/neue-arbeitswelt-entgrenzt-zeitdruck-der-zustellenden-100.html [08.12.2024]

    [59]   Stephan, Felix. Die Rückkehr der Diener. https://www.zeit.de/kultur/2016-10/die-rueckkehr-der-diener-tawkify-new-york

    [60]   Schneider, Sebastian (2024, 18. November). rbb|24.

          Das ist die Sparliste des Berliner Senats [12.12.2024]

    [61]   Soziale Wohnraumförderung; Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen. https://www.bmwsb.bund.de/Webs/BMWSB/DE/themen/stadt-wohnen/wohnraumfoerderung/soziale-wohnraumfoerderung/soziale-wohnraumfoerderung-node.html; [ 08.12.2024]

    [62]    Kiesel, Robert; Hoffmann , Kevin P.; Vieth-Entus, Susanne; Latz, Christian; Fröhlich, Alexander (2024, 19. November). Tagesspiegel. Wo Berlin jetzt spart: Die Milliarden-Streichliste im Überblick – und komplett zum Download [12.12.2024] €

    [63]    Wie geht es weiter mit der Mietpreisbremse?. zdf.de.  https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/mietpreisbremse-wohnen-ampel-100.html [ 08.12.2024]

    [64]    „Die Mietpreisbremse war niemals als dauerhaftes Instrument gedacht“, so der gebürtige Südtiroler & Abgeordnete Ulrich Lange (CDU/CSU) auf eine Anfrage von tagesschau.de hinsichtlich Mietpreisbremse. https://www.tagesschau.de/wirtschaft/mietpreisbremse-bezahlbarer-wohnraum-100.html; abgerufen am 08.12.2024

    [65]     Leiß, Birgit (2023, 31. Okt.). Berliner Mieterverein e.V. Alles nur Schüsse aus der Wortkanone?.

       https://www.berliner-mieterverein.de/magazin/online/mm1123/mietpreisbremse-alles-nur-schuesse-aus-der-wortkanone-112312a.htm [10.12.2024]

    [66]     Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer e.V. (2024, 25. Nov.).

            Markt für Mietwohnungen: Falsche Diagnose, falsche Therapien.  https://www.hausundgrund.de/markt-fuer-mietwohnungen-falsche-diagnose-falsche-therapien [10.12.2024]

    [67]    „Wenn Politiker und Lobbyisten nun eine Verschärfung fordern, zeugt dies von einer Ignoranz gegenüber Fakten” […]. Die Ursache der Probleme auf dem Mietwohnungsmarkt sei das zu geringe Angebot und die hohen Baukosten. Hier hätten vor allem die Kommunen und die Länder in den vergangenen Jahren ihre Hausaufgaben nicht gemacht. „Es gibt zu wenig Bauland und das, was neu gebaut wird, kann nicht günstig vermietet werden. Weitere Regulierungen der Neuvertrags- und der Bestandsmieten würden die Knappheiten weiter verschärfen[…]“, kommentiert der Hausarzt von „Haus & Grund“ Kai Warnecke.

    [68]    „Umso bedauerlicher, dass sich offenbar auch in Berlin Grüne und Linke dem von der SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey eingeforderten Neubau-Irrglauben haben einfangen lassen. Dabei steht nach einigen Jahren, in denen der Neubau stets hinter der steigenden Nachfrage zurückblieb, fest: Der Anstieg von Fertigstellungen hat weder auf das Preisniveau bei Wiedervermietung noch auf die Entwicklung der Bestandsmieten einen dämpfenden Effekt gehabt. Die durchschnittliche Angebotsmiete ist nach heftigem Anstieg bei zehn bis elf Euro pro Quadratmeter (netto, kalt) angekommen. Auch in Bestandsmietverhältnissen stiegen die Mieten deutlich, einzig Mietendeckel und Fortschreibungsmietspiegel konnten in den vergangenen zwei Jahren für eine Dämpfung sorgen.“;

            Zitiert nach: Berliner Mieterverein e.V. Das ist nur die halbe Miete. [10.12.2024]

    [69]    Die Angebotsmieten blieben zwischen 2018 und 2021 relativ konstant bei rund 10 Euro pro Quadratmeter und stiegen ab 2021 um etwa 50% an auf 15,44 Euro mit steigender Tendenz; Aus: Entwicklung der Angebotsmieten für Wohnungen in Berlin von 2012 bis zum 3. Quartal 2024, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/535119/umfrage/mietpreise-auf-dem-wohnungsmarkt-in-berlin/

    [70]    Das ist die Sparliste des Berliner Senats. rbb24 Abendschau. https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2024/11/berlin-senat-sparmassnahmen-beschlossen-liste.html

    [71]    Mittelbar letale Wirkung von Kürzungen in der Wohnhilfe für wohnungs- und obdachlose Menschen: „Vor kurzem habe eine Klientin Suizid begangen, sagt Schultz. Warum Menschen Suizid begehen, hätte vielfältige Gründe. Aber von Mehrbettzimmer zu Mehrbettzimmer geschubst zu werden, habe eine Rolle gespielt. ‚Wir sollten für mehr Geld demonstrieren, nicht gegen Kürzungen‘, sagt sie“. Zitiert nach: Schymura, Julia & Liebram, Cluadia (2024, 20.11.). Tagesspiegel. Sparpaket des Berliner Senats im Sozialbereich [10.12.2024]

    [72]    Haufe Online Redaktion (2024, 25. Okt.).

           Vonovia vollendet Fusion mit Deutsche Wohnen als Share Deal. [10.12.2024]

    [73]    Sethmann, Jens (2016, 4. Dez.). Berliner Mieterverein e.V.

           Wie dem Staat alljährlich Milliarden entgehen, Die Steuertricks der Immobilienbranche. [10.12.2024]

    [74]    Trendsetter Wegner mit Herz für Mieter:innen fand den einst vom Bayerischen Gerichtshof aufgehobenen sechsjährigen Mietstopp in Bayern als vorbildhaft für seine von ihm hämisch gefeierte Beseitigung des Berliner Mietendeckels: „Die Länder haben keine Gesetzgebungskompetenz für das Mietrecht. Deshalb ist auch der vermeintliche Mietendeckel in Berlin verfassungswidrig. Die Entscheidung aus München hat Signalwirkung für Berlin. Das Urteil aus München ist zugleich eine Ohrfeige für den Berliner Senat. Das Scheitern des Mietendeckels ist mit dem heutigen Tag noch wahrscheinlicher geworden. Der Mietendeckel steht endgültig vor dem Aus.“

           Zitiert nach: CDU Landesverband Berlin. [10.12.2024]

    [75]    Kai Wegner. CDU Landesverband Berlin.

           Der Mietendeckel ist ein populistischer Irrtum. [10.12.2024]

    [76]    „Private Bauwillige, die zusätzlichen bezahlbaren Wohnraum schaffen könnten, werden aus der Stadt vertrieben. Rot-Rot-Grün hat Berlin zu der Stadt mit der wohl bundesweit höchsten Konkurrenz um freien Wohnraum gemacht. Nie seit der Nachkriegszeit war es so schwer, eine freie Wohnung in unserer Stadt zu finden.“; ebd.

    [77]    Wasmuth, Cristopher (2024, 19. Nov.): tipBerlin.

           Sparmaßnahmen in Berlin beschlossen: „Es wird Schmerzen verursachen“. [10.12.2024]

    [78]    Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft — Landesverband Berlin. (2023, 31. Jan.)

           Das hat nichts mehr mit modernem Unterricht zu tun. [10.12.2024]

    [79]    ebd.

    [80]    rbb24 Abendschau (2024, 18. Nov., 19:30 Uhr).

           Viele Berliner Lehrkräfte haben ein hohes Gesundheitsrisiko. [10.12.2024] €

    [81]    Vieth-Entus, Susanne. Tagesspiegel.

           Dramatischer Verlust – Fast 1000 Berliner Lehrer haben im vergangenen Schuljahr gekündigt [10.12.2024] €

    [82]    Malcher, Ingo und Willeke, Stefan. ZEIT Nr. 15/2024.

           Der Feind seines Staates. [10.12.2024] €

    [83]    Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft — Landesverband Berlin (2024, 19. Nov.)

           Wer bei Bildung, Jugend und Hochschule kürzt, zahlt am Ende teuer drauf! [10.12.2024]

    [84]   Tagesspiegel (2023, 7. Januar).

          Eine Klasse für sich: Privatschulen in Berlin bleiben großteils den Wohlhabenden vorbehalten. [10.12.2024] €

    [85]   ebd.

    [86]  „600 Projekte sind von den Kürzungen betroffen Besonders ins Auge fällt der Sparbeitrag der Hochschulen. Sie müssen auf 55 Millionen Zuschuss verzichten. Das sind rund fünf Prozent der 1,2 Milliarden Euro, die ihnen für dieses Jahr eigentlich zugesagt worden waren.“

    [87]   „[…]Universitäten [erhalten] einen um acht Millionen Euro niedrigeren und die Fachhochschulen einen um 1,5 Millionen Euro geringeren Etat für Bau und Sanierung. Kunsthochschulen stünden 650.000 Euro weniger für diese Sparte zur Verfügung. Die Finanzmittel des Studierendenwerks sollen um ein Drittel (7,5 Millionen Euro) gestrichen werden. Diese Kürzung werde vermutlich erhöhte Semestergebühren für Studierende zur Folge haben, so das Deutsche Studierendenwerk in einer Mitteilung. Die Berliner Qualitäts- und Innovationsoffensive für die Lehre würde um 5,5 Millionen Euro gekürzt, während die „Berlin Quantum Alliance“ zur Förderung der Quantenforschung laut „Table Media“ komplett gestrichen würde. Auch bei Organisationen werde gespart, etwa der Einstein-Stiftung, dem Zuse-Institut und dem Weizenbaum Institut […]“. Zitiert nach: https://www.forschung-und-lehre.de/politik/weniger-geld-fuer-berliner-hochschulen-6773. Forschung & Lehre

    [88]   https://www.tagesspiegel.de/berlin/wo-berlin-jetzt-spart-die-milliarden-streichliste-im-uberblick–und-komplett-zum-download-12721715.html

    [89]   https://berlintxl.de/

    [90]   https://urbantechrepublic.de/immobilien-finder-karte/

    [91]   https://www.deutschlandfunk.de/be-intendant-reese-warnt-vor-schaeden-fuer-berlins-kultur-104.html

    [92]   Was hat er sich dabei gedacht?, Lemke-Mateway, Christine. DIE ZEIT, 28. 11.2024

    [93]   ebd.

    [94]   ebd.

    [95]   Rutz, Rainer (2024, 1. Dezember). taz.

           Kai Wegner gibt Mentalitätstipps [10.12.2024]

    [96]  So bezeichnete Merz Schüler:innen migrantischer Familien. Vgl.: Rzepka, Dominik (2023, 23. September). zdfheute.

           Sozialtourismus bis Zahnarzt: Das Muster Merz [10.12.2024]

    [97]   Paul Joseph Goebbels (1897 – 1945)

    [98]   Laudenbach, Peter; Goetz, John. Das Erste.

            Kultur – die neue Kampfzone ; Eine Recherche von „ttt“ und der Süddeutschen Zeitung [10.12.2024]

    [99]  „Ein allgemeines Gefühl der Vergeblichkeit in der Bundesrepublik, die Nazis, die in den Startlöchern stehen, und die Absurdität der Zeit (in der Berlins Hauptattraktionen dezimiert werden, im ursprünglichen Sinne des Wortes ‚dezimieren‘, um auf Föderalebene die Wechselwähler einzuholen). Strange days indeed.“. Sir Henry. Zitiert nach: https://www.berlinistkultur.de;  abgerufen am 08.12.2024

    [100]    Lemke-Mateway, Christine. Die Zeit.

    [101]   Deutschlandfunk Kultur (2024, 30. November).

           Veranstalter fürchten um Kunstfreiheit [10.12.2024]

    [102]   Laudenbach, Peter; Goetz, John (zuletzt 2019?). Das Erste.

           Kultur – die neue Kampfzone. Die Strategie von AfD & Co. | Eine Recherche von „ttt“ und der Süddeutschen Zeitung[18.12.2024]

    [103]   ebd.

    [104]   ebd.

    [105]   Schaubühne befürchtet wegen Haushaltskürzungen Insolvenz. rbb24 Inforadio. https://www.rbb24.de/kultur/beitrag/2024/11/berlin-kuerzungen-haushalt-schaubuehne-befuerchtet-insolvenz.html

    [106]   Zudem muss die Schaubühne dank der Kürzungsinitiativen des mehrheitlich CDU-regierten Sentas ihre experimentelle Bühne schließen: https://www.berliner-zeitung.de/news/kultur-kuerzungen-in-berlin-schaubuehne-erhoeht-preise-studio-wird-geschlossen-li.2278440 [abgerufen am 08.12.2024]. rbb24 Inforadio

    [107] Peitz, Christiane (2024, 7. Dezember). Tagesspiegel.

         Entwarnung beim Berliner Kultur-Spardrama: Die Planlosigkeit ist erschreckend

    [108] Rieger, Birgit (2024, 25. November). Tagesspiegel.

         Sparpläne in der Berliner Kultur: 3000 Künstler könnten Ateliers und Probenräume verlieren

    [109]  nachtkritik.de (2024, 6. Dezember). meldungen.

          Kulturetat Berlin: Weniger Kürzungen für große Theater [13.12.2024]

    [110] Fitzel, Tomas (2024, 15. Dezember). Deutschlandfunk Kultur. Berliner Kulturszene – Die Solidarität könnte bröckeln.

    [111] Anders, Sonja (2021, 18. März). ZEIT ONLINE.

         Das Theater hat ein Strukturproblem [17.12.2024]

    [112] CDU Landesverband Berlin (2024). Kai-wegner.de.

         Ich bin Berliner mit Leib und Seele. [17.12.2024]

    [113] Polizeiakademie der Polizei Berlin (2024, 18. September).

         „Polizei ist ein Schwerpunkt für diesen Senat.“ [Veröffentlicht auf YouTube][10.12.2024]

    [114] Presseerklärung der CDU Landesverband Berlin.

          Anti-Polizei-Gesetz stoppen! [10.12.2024]

    [115] Brandstetter, Jonas (2023, 8. Februar). Behörden Spiegel.

          Das Kleidungsbudget der Polizei Berlin steigt [10.12.2024]

    [116]  Loy, Thomas (2023, 5. April). Tagesspiegel.

          Mehr Kleidergeld für Polizisten: Beamte gehen im „E-Warenhaus“ in Brandenburg shoppen [10.12.2024]

    [117]  https://www.morgenpost.de/berlin/article241942154/Winterjacken-kommen-puenktlich-zum-naechsten-Sommer.html

    [118]  rbb 88.8 (2023, 15. Dezember, 05:30 Uhr). Veröffentlicht auf: rbb|24.

          Berliner Polizei bekommt mehr Ausstattung und Befugnisse [13.12.2024]

    [119]  Vielleicht sieht sich durch diese Ausstattungsmaßnahme die Gewerkschaft der Polizei ja insgesamt ermutigt, ein Sondervermögen in der Höhe von 100 Milliarden einzufordern, um so künftig noch besser in Winterkleidung gewickelt und mit Tasern bestückt Abschiebungen voranzutreiben? Interview von Hofmann, Kristina. zdfheute. Abschiebungen: Polizei will Geld und Stellen [13.12.2024]

    [120]  https://www.bz-berlin.de/berlin/untragbare-situation-der-polizei-fehlen-warme-winterstiefel-und-jacken

    [121] „In Berlin sind in den Jahren 2016 und 2020 mindestens 29 Menschen erfroren“, publizierte die Berliner Zeitung Zahlen amtlich festgestellter, durch Erfrierung verstorbener Menschen, weil sie ohne Obdach waren oder keine Wohnung hatten. Die Zahl der Opfer dürfte wohl weitaus höher liegen. Sollte sie fallen, dann hat das nicht mit mehr bereitgestellten Kältebussen zu tun, sondern mit wärmeren Wintern durch den Klimawandel. Vgl.: Gehrke, Christian (2022, 2. März). Berliner Zeitung.

             Obdachlose in Berlin: 29 Kältetote in fünf Jahren [13.12.2024]

    [122]  https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2023/12/obdachlosigkeit-kaelte-notunterkunft-kaeltebus-stadtmission.html

    [123]  https://www.morgenpost.de/vermischtes/article231543743/19-Obdachlose-diesen-Winter-erfroren-Vereine-alarmiert.html

    [124]  CDU Landesverband Berlin. Ein besseres Berlin ist möglich – Worauf es jetzt ankommt. [13.12.2024]

    [125]  ebd.

    [126]  ebd.

    [127]  Vgl. Bray, Kerry; Braakmann, Nils; Wildman, John (2024 Mai). ScienceDirect.

           Austerity, welfare cuts and hate crime: Evidence from the UK’s age of austerity [13.12.2024]

             Vgl. Giulietti, Corrado; McConnell, Brendon (2022 November). CENTRE FOR POPULATION CHANGE.

             Kicking you when you’re already down: The multipronged impact of austerity on crime [PDF][13.12.2024]

             Selbst wenn sich die beiden obigen, verlinkten Studien in ihrer Untersuchung des Verhältnisses zwischen Kriminalität und Austerität vornehmlich auf das Vereinigte Königreich (UK) beziehen, ist der Schluss zulässig, dass eine vergleichbare Korrelation genauso für das europäische Festland gilt, besonders seit 2007/08. Vgl. dazu: McRobie, Heather (2013, 23. Dezember). openDemocracy.

             Austerity policies in Europe are fuelling social injustice – and violating human rights [13.12.2024]

    [128]  https://www.nachtkritik.de/meldungen/sanierung-komische-oper-offener-brief-von-barrie-kosky

  • Leistungsgesellschaft oder doch Sozialdarwinismus?

    Von David Berkel

    Ein Merksatz marktliberaler Sprechchöre hallt von den Tribünen der Bierzelte: „Leistung muss sich lohnen!“. Verfechter:innen des Leistungsprinzips gemahnen drohend an den Untergang der sogenannten sozialen Marktwirtschaft reflexartig immer genau dann, wenn sich finanzielle Erhöhungen solidarischer Leistungen für die Schwächeren unserer Gesellschaft anbahnen. Das bedrohte Abendland, dessen leuchtende zivilisatorische Spitze die soziale Marktwirtschaft in Mitteleuropa bildet, bedarf seiner Wiederherstellung durch Würdenträger:innen des Leistungsprinzips.

    Die fetten Jahre sind vorbei!

    Leistung müsse sich wieder lohnen, so als ob es eine stagnierende Epoche zu überwinden gälte, in welcher die „Faulen“ für Ihre Faulheit fast oder genauso gut verdienen wie die „Fleißigen“ für ihren Fleiß. Nicht einmal in den antiken Hirtengedichten eines Hesiod erwuchsen dem Müßiggänger schließlich die Feldfrüchte wie von selbst in den Mund[1]. Als nicht platt zu kriegender Sündenbock gelten mal wieder Sozialdemokratie und die Grünen. Die Grünnasen und Sozis zupfen die wohlverdienten Rappen aus den Joppen der Fleißigen in die Buxen der Faulen. Obendrein gehen die noch hin, die Figur des Geflüchteten als rivalisierenden Dritten in die „vaterländischen“ Märkte zu „schleusen“.

    Der Sermon „Leistung muss sich wieder lohnen!“ beschwört die Ankunft der christlich-sozialen Marktwirtschaft, die die fleißigen von den faulen Böcken und den Erwerb von der Verschwendung trennt. Der Spruchband mit der Aufschrift „Die fetten Jahre sind vorbei!“ prangt auf ihrem Schild. Die Fleißigen krempeln nach ihrer Narkotisierung durch die Sozialdemokratie ihre Ärmel wieder richtig hoch, während die Faulen sich den abendländischen Idealen „sozialer“ Marktwirtschaft fügen. Einige Mupfel dürfen zwar aus den Fleischtöpfen der Fleißigen als Almosen für die Faulen abfallen. Dafür müssen sie auch ihren Aufstieg ins Empyreum des Fleißes besorgen. In der „sozialen“ Marktwirtschaft ist nicht einmal der Almosen vom Tauschwert befreit.

    Zwingli und Luther oder Väter der Leistung

    „es ist nichts wolfeiler als diensterbietung und nichts thewrer als die leistung“,[2] räsonniert der Reformator Ulrich Zwingli. Er stellt die gehorsame Erfüllung dieser Pflicht ganz schön weit oben auf seiner Wertskala. Der protestantisch ethische Grundsatz Zwinglis machte über Luther den Weg frei für die tausendjährige Epoche des Fleißes. Nach Luthers fünfhundertsten Todestag fand jenes Ethos schließlich seine gefeierte Wiederentdeckung im Bierzelt Söders wie auch im Pakt für „Leistung und Fleiß“ eines Jens Spahn[3]. Nichts ist „wolfeiler als diensterbietung und nichts thewrer als die leistung“ gegenüber Familie, Ordnung, Kirche und Laugengebäck.

    Leistungsstarkes Kapital – die Figur des Privatier

    Während die einen von ihren Bierbänken die fleißigen Laugenjunker auf die faulen Lümmel in die Buden der Jobcenter hetzen, können die noch fauleren Privatiers[4] diesem ohnmächtigen Ringkampf ungestört zuschauen.

    Dass deutschlandweit mehr als 630.000 „fleißige“ Privatiers zu einhundert Prozent ihr angelegtes[5], fette Renditen bringendes Kapital für sich malochen lassen können, und dass die „fleißigen“ obersten zehn Prozent inzwischen mehr als sechzig Prozent des Gesamtvermögens als Buchgeld auf ihren staubigen Konten hamstern[6] [7]– das scheint die Anwälte des Fleißes nicht zu jucken. Schließlich haben sich doch die wohlhabenden Privatiers schweißtreibend zu den himmlischen Daunenbetten der Renditen und Dividenden selber empor gearbeitet. Im Preisnamen der Vermögensanlage drückt sich zynisch das Quantum der Leistung aus. Kritik daran wird einfach als Neiddebatte denunziert. Entspricht denn nicht die extensive Größe meines angelegten und geerbten Kapitals der intensiven und angeeigneten Größe meiner Leistung? Wenn sich Leistung wieder lohnen muss, dann muss sie sich auch richtig lohnen.

    Ein Millionen-Coup: die Übernahme von Karstadt

    Als sich mit der Übernahme der an die Kandare gefahrenen Karstadt-Filialen und mit dem Verkauf ihrer einstigen Juwelen, ihren Immobilien, der österreichische Königssohn des Kapitals, René Benko, eine geschmeidige Dividende von 450 Millionen Euro auszahlte[8] – hat erlauchter Benko dadurch nicht um das vierhundertfünfzigmillionenfache die Verheißungen der Leistungsgesellschaft samt sozialer Marktwirtschaft eingelöst? Die spätrömische Dekadenz in den duftigen Thermen der Jobcenter aber ist Faulheit mal vierhundertfünfzig Millionen. Benko vermochte eben millionenfach die Sprossen der marktwirtschaftlichen Jakobsleiter mit eigenem Achselschweiß erklettern.

    Große Leistung: Renditen aus Mieten

    „Leistung muss sich wieder lohnen!“, fürwahr, selbstgerecht brachten die Anwälte der Fleißigen die linksgrünversiffte Mietpreisbremse zu Fall. Denn sie wähnten in ihr Bullen aus DDR und Sowjetzeit. Der traurige Osten mal wieder, der das BRD-Prinzip Leistung mit Planwirtschaft und Marxismus bedroht. „Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen“[9] – und beheizt wohnen schon gar nicht. Gut, dass unsere christlichen Adepten die Bremsung der Angebotsmieten wegklagten[10]. So können die Privatiers mehr Renditen abschöpfen, während die fleißigen Mieter:innen noch mehr ihre Körper ausschöpfen.

    Seitdem stieg die Angebotsmiete nochmal sprunghaft von rund zehn auf dreizehn Euro an. In den Jahren zwischen 2018 und 2021 blieb sie dagegen konstant. Schließlich haben wir es den leistungsstarken Anleger:innen zu verdanken, dass sich die maroden Häuser endlich wieder in poshe Zuckerbuden verwandeln. Aus den Töpfen angelegten Vermögens werden eines Tages genug Taler auf die Ameisenhügel der Faulen und Armen nach unten rieseln[11]. Nicht aber dadurch, dass man mit Solidarität für die sozial Benachteiligten in die leistungsstarken Waden der Wohlhabenden von links reingrätscht. Das wissen beispielsweise auch die königstreuen Verbündeten von Übersee, welche eigens monieren, Programme sozialistischer Parteien würden Kapitale wohlhabender Quartiere in die sozial benachteiligten Zonen der Mitesser hinterhältig verschiffen[12].

    Reservearmee Niedriglohnsektor

    Man vergesse nicht, wie wichtig die Rekrutierung einer armen und geringverdienenden „Reservearmee“ ist, die dienende und reproduktive Leistungen erbringt, damit die Höchstleistungen der besonders fleißigen Eliten möglich werden. Nebenher entzünden sich soziale Spannungen und Ungleichheiten weiter [13]. In Deutschland ist jede:r vierte im Niedriglohnsektor beschäftigt[14], seit der Finanz- und Bankenkrise eine stetig wachsende, ärmer werdender Schicht[15]. Schließlich galt die Rettung der Hochleistungsbanken rentabler als das Auffangen sozial bedürftigerer Schichten. „Leistung muss sich lohnen!“, genau, aber nur die Leistungen derer, die an den frommen Wahlurnen für Familie, Ordnung, Kirche und „Leitkultur“ stimmen. Das Leitprinzip dieser Kultur? Leistung.

    Springer-Presse gegen die „Faulen“ und Sozial- versus Finanzbetrug

    Die Anwälte der Fleißigen kennen sicherlich noch andere gesunde und kräftige Fleißwillige, die ihre Apotheose ins Reich abstrakter Reichtümer mit Schweißbändern bekleidet geschafft haben. Während die weißen Stehkragenhemden etwa in den Banken mit windigem Betriebsfleiß zwölf bis dreißig Milliarden Euro am laxen Fiskus fleißig vorbei bugsieren konnten[16] [17], erweitern die rechtschaffenen Gazette ihr minutiöses Verzeichnis der Faulen und ihrer Betrügereien. Ein Exzerpt wollen wir beispielhaft aus einer Akte der BILD-Kanzlei näher unter die Lupe nehmen. Wobei vorab zu warnen ist, dass der im Folgenden zitierte Auszug für sensible, rechtschaffene Fleißige verletzend sein kann: 

    „Tischler Ralf B. (47) aus Köln verschwieg dem Jobcenter, dass er vier Tage vor dem ersten seiner fünf Hartz-IV-Anträge eine gut verdienende Frau geheiratet hatte. Obwohl ihm kein Cent zustand, kassierte er 17.830,48 Euro vom Amt. Urteil: Rückzahlung und sechs Monate Haft auf Bewährung.“[18]

    Unerhört! Selbst wenn rechnerisch vereinfacht auf einen Euro Sozialmissbrauch durch Bezieher:innen des heutigen Bürgergeldes 1389 Euro durch Steuerhinterziehung kommen[19],  dann wiegt dieser faule Euro das eintausenddreihundertneunundachtzig-fache mehr als die fleißig nach Panama gewuppten 1389 Euro.

    Wird Faulheit nicht mehr bestraft?

    Aus der BILD-Kanzlei flattern gegen die Anhebung des Bürgergeldes noch andere Spruchbänder in die Bierzelte wie etwa:

    „Lohnt Arbeiten in Deutschland überhaupt noch?“,
    „Vorfahrt für die Fleißigen!“, oder
    „Fleißige dürfen nicht betrogen werden!“.[20]

    Mit ihren Possen kriminalisiert die BILD-Kanzlei unverhohlen selbst lebensnotwendige Anstiege beim Bürgergeld – Existenzminimum wohlgemerkt – und verschweigt systematisch, dass die Mindestlöhne im Zuge der Inflation ebenso angehoben wurden, wogegen sich ausgerechnet die selbsternannten „Anwälte der Fleißigen“ mit Klauen und Zähnen wehrten.

    In einer Leistungsgesellschaft kann sich keiner den Mob der Faulen leisten. Die BILD-Kanzlei fragte stellvertretend für die fleißigen und enttäuschten Laugenjunker:

    „Wird Faulheit nicht mehr bestraft?“[21]

    Wie konnten die Sozis und ihre Handlanger im Bundesverfassungsgericht vor Jahren eine der Säulen unserer Leistungsgesellschaft kippen, nämlich die Strafe – für Faulheit? Sind am Tympanon dieser Gesellschaft, mit ihrem hochkomplexen Sanktionssystem, nicht die ehernen Friese Belohnung und Strafe bis in alle Ewigkeit eingemeißelt? Picken die Buntspechte aus Flüchtlingen und „Ausländern“ nicht zu viel von den Pilastern der Belohnung ab? Diese ganze Bande muss erstmal richtig „Deutsch lernen“. Deswegen sollten einmal Sozialleistungen

    „an den Integrationswillen gekoppelt werden. Wer sich nicht integrieren will, sollte weniger Hartz IV [Bürgergeld] bekommen.”[22]

    Gebleachte Zähne, Einfamilienhäuser und ein bisschen Sozialdarwinismus

    Ja, gerade die fremden Leistungs- und Integrationsunwilligen erdreisten sich noch dazu, gratis ihre farbigen Zähne in den Praxen bleachen zu lassen![23] Das sieht nicht nur Merz so, sondern auch Aiwanger[24]. So wie die wohlweißen Zähne im strammen Gebiss der Fleißigen angeordnet sind, so ordnen sich weißglänzende Einfamilienhäuser auf den saftiggrünen Wiesen der Leistungsgesellschaft an. Während die Dentallabore schablonengerecht den Zahnersatz für die weißen Fleißigen feinschleifen, gießt die Baulobby kataloggerecht den Bauersatz aus Zement und Kunststoff tausendfach in die ideelle Negativform des Einfamilienhauses. An diesen Parzellen der Bausparverträge werden die ansässigen Fleißigen nie erfahren, wie es denen geht, gegen die sie Stimmung machen. Und die einzigen Pseudo-Informationskanäle durch das Sprechgitter Gartenzaun bilden Springer-Presse und ominöse Telegram-Chats. Die physische Parzelle des Einfamilienhauses entspricht tendenziell der psychischen Festung ihrer Eigentümer:innen.

    Weiß, das ist die Farbe der Leistungsgesellschaft. Ihre Karies und Parodontose heißen Farbige und Faule. Gegen diese muss der Feldzug der Ordnung erfolgen. Der Ruf zur Ordnung gilt nicht nur im Bundestag[25]. Einmal kräftig auf die weißen Schenkel klopfen, den wohlverdienten Bierkrug auf den Leistungsstammtisch donnern und die Hatz gegen das faule Wild da draußen kann lospreschen[26] [27]. All jene, die sich zu Anwälten der Fleißigen gerieren und über Sanktionssysteme mit Knute, Knüttel, Gerte und Zucker die Leistungsprinzipien den Faulen einhämmern wollen – diese Anwälte vindizieren den Kampf ums Dasein zurück ins Herz der Gesellschaft. Die Leistungsgesellschaft ist wahrscheinlich nur der vornehmere Name für Sozialdarwinismus, bloß dass die vitalistischen Perimeter Kraft und Macht durch die behavioristischen Fleiß und Fähigkeit ersetzt wurden[28].

    Wertschöpfende Verkehrsadern und das grüne Feindbild

    „Geht mal arbeiten“ – posaunen die anführenden Tambourmajore gegen all jene, die sie als leistungsschwach oder -scheu wähnen. Niemand möge sich auf den hochheiligen Kreuzweg stellen, der deutschen Hochgeschwindigkeitsstraße ab Zone fünfzig, die Samenleiter Deutschlands, die die Früchte der fleißig männlichen Pendler in die wertschöpfenden Schöße der Arbeitsplätze fahren. Der größte Schrecken, der auf diesen fruchtbringenden „Wertschöpfungsketten“ unserer Leistungsgesellschaft geschehen kann, der wahrlich mit Terror gleichzusetzen ist – das ist die arbeitsunwillige Generation Z, die mit Klebstoff die Verkehrsprostata zuklebt. Sie, die ‚Grüne Armee Fraktion‘, bringt den Terror wieder auf den Asphalt[29]. Es ist Zeit, den Radikalenerlass aus dem reaktionären Archiv hervorzuholen, um das Jungvolk auf seine politische Gesinnung und soziale Leistungstauglichkeit zu prüfen[30]!

    Generationskonflikt auf den Straßen

    Diese Verkehrsadern müssen frei bleiben für die Repräsentanz der Leistungsgesellschaft schlechthin, dem Volkswagen. Denn, so fragen die Apologeten der Hochleistungsgesellschaft –  ist nicht die Automobilindustrie der Heilsbringer unermesslichen Wohlstands und üppiger Fleischplatten geworden? Verdankt sich ihr nicht der militante Klimaaktivismus seine Tuben Sekundenklebers? Seid ihr, die nachkommenden Generationen, nicht aus den Perlen unseres Schweißes erblüht? Und wenn die Erbsünde der Muße als Kehrseite der Leistungsgesellschaft in euer Fleisch und Blut überging, so habt ihr das Sündige mit eurem wohlfeilen Fleiß abzuarbeiten, um auf die belohnenden Happen aus der Hostie des Leistungsprinzips hoffen zu können. Hört nicht auf die schmuddeligen Journalien, die euch eintrichtern, dass das Kapital unserer erhabenen Bayerischen Motorwerke wie auch Volkswagen vor allem durch Kooperation mit Funktionären des Nationalsozialismus und der unrechtmäßigen Enteignung von KZ-Häftlingen hervorging[31] [32]. Enteignung, ach, das ist doch ein Hexenwerk der Planwirtschaft und nicht des Kapitalismus!

    Noch ein Feindbild: Soziologie und öffentlicher Rundfunk

    Kann es sein, dass all die Plagegeister aus den Journalien, öffentlichem Rundfunk, Universitäten und linken Politbüros einen geheimen Komplott gegen die Prinzipien unserer Leistungsgesellschaft geschmiedet haben? Wer lanciert denn eine derartige Falschmeldung, dass die Prinzipien unserer Leistungsgesellschaft, die allein auf Warenüberschuss und beschleunigtem Wirtschaftswachstum fußen, zur Zerstörung unserer sozialen Beziehungen und unseres planetaren Ökosystems führen[33]? All solche Phantasien reifen doch nur in den Köpfen derer, die sich vor den Normen wirklichen Fleißes drucksen – phantasieren jedenfalls die selbsternannten Anwälte der Fleißigen.

    Kurze Theodizee des Leistungsprinzips

    Und können die wahren, theologischen Prätendenten des Hochleistungsabendlandes nicht behaupten, dass selbst die Schaffung der Welt eine Leistung war, nämlich die im wahrsten Sinne göttlichste überhaupt? Selbst die passionierte Kreuztragung Christi – welch größere Leistung als die des Opfers kann es überhaupt geben? Und am siebten Tage, der einzige Tag der Ruhe, an diesem durfte dann auch endlich der göttliche Weltschöpfer wohlverdient ruhen so wie nach langer Arbeitswoche der oder die weltliche Wertschöpfer:in namens Vollzeitbeschäftigte:r.


    [1]       „Denn kein Müßiggänger vermag, sich die Scheune zu füllen, | Noch wer Aufschub liebt; nur der Fleiß kann fördern das Werk dir. | Wer mit der Arbeit zögert, der muss stets ringen mit Nachteil “; Werke und Tage, Hesiodos, Übersetzung von H. Gebhardt bearbeitet von E. Gottwein: https://www.gottwein.de/Grie/hes/ergde.php

    [2]Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/23, <https://www.woerterbuchnetz.de/DWB>, abgerufen am 03.10.2023.

    [3]Spahn: Leistungspaket statt 4-Tage-Woche, APOTHEKE ADHOC, https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/politik/jens-spahn-pakt-fuer-leistung-und-fleiss-statt-4-tage-woche/

    [4]Privatier steht für Teilhabende einer Klasse, die aus Renditen und Dividenden ihrer angelegten Vermögenswerte oder Kapitalien ihre zum Leben und Wohnen notwendigen Kosten decken können, teils auch schon Genuss- oder Luxusgüter. Das englische Wort rentier erscheint jedoch genauer zu sein als seine deutsche Entsprechung. Denn tatsächlich kommen die aus dem angelegten Kapital in Immobilien oder Wertpapieren einer monatlich abfließenden Grundrente gleich (Rentier also bezeichnend für die Empfänger:in).

    [5]https://www.wiwo.de/finanzen/geldanlage/privatiers-in-deutschland-immer-mehr-menschen-leben-nur-von-kapital-wie-geht-das/25348896.html

    [6]https://www.boeckler.de/de/boeckler-impuls-wie-sind-die-vermoegen-in-deutschland-verteilt-3579.htm

    [7]https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61781/vermoegensverteilung/

    [8]https://www1.wdr.de/daserste/monitor/sendungen/kaufhof-pleite-einer-gewinnt-immer-100.html; https://www.youtube.com/watch?v=2lJ6MfNSJBc

    [9]Der Ausspruch stammt vom Apostel Paulus aus dem zweiten Brief Thessaloniker. Wortgleich äußerte sich Franz Müntefering 2006, um gegen Empfänger:innen von Arbeitslosengeld aufzuwiegeln.

    [10]https://www.instagram.com/p/CxsBK3kMRL3/?igshid=MWZjMTM2ODFkZg%3D%3D&img_index=2

    https://de.statista.com/statistik/daten/studie/535119/umfrage/mietpreise-auf-dem-wohnungsmarkt-in-berlin

    [11]Die Annahme, das mit exponentiell wachsendem Reichtum vermögensstarker Eliten und vermögender, oberer Mittelschichten Überschüsse ihres akkumulierten Kapitals auf die darunter liegenden Schichten purzeln, kennt man im anglo-amerikanischen Sprachraum auch als trickle-down-economy (trickle-down für ‚herabrieseln‘).

    [12]https://www.theguardian.com/politics/2022/aug/05/video-emerges-of-rishi-sunak-admitting-to-taking-money-from-deprived-areas

    [13]Verteilung, Niedriglöhne verschärfen Ungleichheit: https://www.boeckler.de/de/boeckler-impuls-niedrigloehne-verschaerfen-die-ungleichheit-18709.htm

    [14]BertelsmannStiftung, Der Niedriglohnsektor in Deutschland. Vgl. Diagramm auf S.15; Zudem: „Im Niedriglohnsegment sind vor allem Frauen, Migranten, junge Arbeitnehmer sowie Beschäftigte in Minijobs bzw. in einer Teilzeittätigkeit oder auch befristet Beschäftigte“, https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/200624_Studie_Niedriglohnsektor_DIW_final.pdf

    [15]https://www.diw.de/de/diw_01.c.618203.de/publikationen/wochenberichte/2019_14_3/der_niedriglohnsektor_in_deutschland_ist_groesser_als_bislang_angenommen.html

    [16]https://www.deutschlandfunk.de/cum-ex-geschaefte-wie-das-verwirrspiel-mit-aktien-100.html

    [17]https://taz.de/Cum-Ex-Betrug-durch-Banken/!5370119/

    [18]https://www.bild.de/regional/koeln/koeln/hartz-iv-betrug-tischler-hat-ehefrau-verschwiegen-34253100.bild.html

    [19]https://www.dgb.de/themen/++co++8c4f2e62-22ea-11df-7109-00093d10fae2

    [20]https://bildblog.de/140349/das-ist-kriminell/

    [21]https://bildblog.de/116133/hartz-iv-empfaenger-gibt-es-bei-bild-nur-in-faul/

    [22]https://bildblog.de/80286/dirk-hoerens-naechste-halbe-hartz-wahrheit-ueber-auslaender/

    [23]Friedrich Merz, wörtlich: „Auch die Bevölkerung, die werden doch wahnsinnig, die Leute. Wenn die sehen, dass 300.000 Asylbewerber abgelehnt sind, nicht ausreisen, die vollen Leistungen bekommen, die volle Heilfürsorge bekommen. Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine.“ https://www.tagesschau.de/faktenfinder/merz-asylbewerber-zahnarzt-100.html

    [24]https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/aiwanger-ueber-merz-aussagen-sachverhalt-ist-wirklich-so-19210165.html

    [25]Treppenwitz: Am meisten werden die zur Ordnung gerufen, die am lautesten nach Ordnung rufen. Vgl. (1) https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/bundestag-ordnungsrufe-101.html und (2) https://web.de/magazine/consent-management/ (mit Cookie-Banner)

    [26]Hetzjagd in Chemnitz von 2018: https://de.wikipedia.org/wiki/Ausschreitungen_in_Chemnitz_2018

    [27]Hetzjagd in Guben von 1999: https://de.wikipedia.org/wiki/Hetzjagd_in_Guben

    [28]„Die sozialdarwinistischen Gesellschaftsbilder etwa eines H. SPENCERoder eines F. NIETZSCHEsprechen erstmals in soziologischen Visionen der deterministisch-traditionalen Statuszuschreibung ihre Gültigkeit ab. Das Modell der Leistungsgesellschaft ist analog dazu konstruiert, nur daß das Kriterium der Stärke oder der Macht hier durch das Kriterium der Leistung ersetzt ist.“, Michael Széplábi, Leistungsgesellschaft in der Diskussion, Zeitschrift für Soziologie, Jg. 3, Heft 3, Juni 1974, S. 295-311, F. Enke Verlag Stuttgart

    [29]Der ehemalige Verkehrsminister Dobrindt (CSU) fordert eine stahlharte Gangart gegen sogenannte Klimakleber und warnte wörtlich vor der „Entstehung einer Klima-RAF“: https://www.zdf.de/nachrichten/politik/dobrindt-klima-raf-100.html

    [30]https://de.wikipedia.org/wiki/Radikalenerlass

    [31]„Adenauer et les Alliés occidentaux s’employèrent à juguler ce courant [le programme d’Ahlen c’est que nationalisation des industries-clés] et veillèrent à ce que le grand industrie ouest-allemande reste en mains privées – en grande partie sous le contrôle de collaborateurs et profiteurs nazis comme les familles Quandt (BMW), Porsche-Piëch  (Volkswagen) et Flick (5)“ [Adenauer und seine westlichen Alliierten machten sich schließlich auf, diese Strömung (gemeint ist das Ahlen-Programm, das u.a. eine Verstaatlichung der Schwerindustrien vorsah) zu bändigen und sorgten für die Privatisierung der Schlüsselindustrien in Westdeutschland, größtenteils unter den Fittichen vieler Nazi Kollaborateure und Profiteure wie etwa die Familien Quandt, Porsche-Piëch und Flick (Übersetzung des Autors)], LE MONDE diplomatique, September-Ausgabe 2023, Le grand écart de la neutralité autrichienne

    [32]https://de.wikipedia.org/wiki/Quandt_(Familie)

    [33]Nochmal der Soziologe Michael Széplábi: Er stellte bereits in den 70ern fest: „Im ökonomischen Bereich zeichnet sich vor allem eine drastische Verknappung der Rohstoffe ab, die die gegenwärtige Grundlage der Produkte ausmachen. Im gesellschaftlichen Bereich ergeben sich aus der Produktionsweise unmittelbare Beeinträchtigungen der humanen Lebensmöglichkeiten (Emission) sowie sekundäre Beeinträchtigungen aus der Entwicklung der Formen der gesellschaftlichen Organisation […]. Die Beeinträchtigung macht sich nicht nur als Störung, sondern als reale Bedrohung und Schädigung biologischer und sozialer Lebensmöglichkeiten bemerkbar.“ (ebd.)

  • Wiederkehr des Sprachnationalismus

    Wiederkehr des Sprachnationalismus

    von David Berkel

    Wie der Mythos einer «Krise der Männlichkeit» auf die Sprache übergeht & gendergerechten Ausdruck bekämpft

    Eliten des rechten Kulturkampfes verordnen der Sprache eine radikale Diät. Der fremdenfeindliche Populismus, der Menschen wie Wörter als Bedrohung und Eindringling brandmarkt, konstruiert in seinem Kampf um die reine, richtige Sprache eine förmliche Pathologie der Satzzeichen und Anglizismen. Doch hinter der Verfalls-Erzählungen der Sprache steckt weit mehr als ein kulturpessimistischer Reflex: Ein chauvinistischer Männlichkeits-Komplex erschafft über den Diskurs eine Krisenstimmung von bedrohter Nation, Kernfamilie und Geschlechtlichkeit sowie ihrer Hierarchie, was sich im Hohn über zu «fremd» und «unrein» empfundener Sprache ausdrückt. Versuch eines Streifzugs durch rechte, paternalistische Sprachpolitiken in der Deutschschweiz und in Deutschland.

    Die rechte Flanke des Kulturkampfes verteidigt die Sprache vor Veränderungen. Kaum ein Triggerpunkt wie das Gendersternchen oder der Anglizismus wurden so zum Horror (rechts-)konservativer Sprachpolitik. Unter den Feldherren des diskursiven Kulturkampfes gilt der Asterisk nicht als ein humanes Satzzeichen zur Sichtbarmachung marginalisierter Gruppen. Vielmehr verteufeln sie ihn als Brandzeichen einer internationalen, grün-roten und queeren ‘Gerechtigkeits-Partei’.

    Unterdrückung gendergerechter Sprache in Deutschland, Österreich und der Schweiz

    Bayern verbannte die Verwendung gendergerechter Sprache in öffentlichen Einrichtungen. Andere Bundesländer wie Hessen, Thüringen und Brandenburg zogen nach – oder dienten als Vorbilder. Vor wenigen Monaten wurde im Zürcher Kanton die Aktion «Tschüss Gendersternchen!» gerade noch überstimmt, die auf legalem Wege die Verbannung des ‘Genderns’ bewirkt hätte. In Österreich versuchte der rechtskonservative Nationalratspräsident Rosenkranz über einen «Leitfaden» Frauen und Transgender im Parlament sprachlich unsichtbar zu machen. Gerade diejenigen, die sich in ihrem aufgerüsteten Wortgefecht für mehr individuelle Freiheit starkmachen (zumindest nominell), setzen die Freiheit im Ausdruck reell ausser Kraft.

    Was diese konservative Inquisition in ihrem Autodafé gegen die Sprache eint ist das chauvinistische Unterfangen, sie wieder zu vergeschlechtlichen oder zu sexualisieren. Sie will nicht nur trans-geschlechtliche Ausdrucksformen verdrängen, sondern auch die vermeintlich bedrohte, männliche Identität ausdrücklich fixieren. Gendergerechtigkeit beschränkt diese kulturpolitische Inquisition, um sich unbeschränkter von Ethiken sozialer Fürsorge und Inklusion zu fühlen. Vom Geist des «Gender-Wahns» ist das Bewusstsein rechtsnationaler, toxisch-männlicher Milieus befallen.

    Männlicher Protest gegen sprachliche Vielfalt

    Der Psychoanalytiker Alfred Adler hätte diesbezüglich von einem «männlichen Protest» gesprochen. Aufgrund vorausgesetzter Geschlechter-Hierarchien und -Normen ängstigen sich demzufolge Jungen wie Männer vor ihren ‘weiblichen’ oder weiblich gelesenen Anteilen. Diese spalten sie von sich ab und projizieren sie auf Frauen sowie ‘feminin’ gelesene Gruppen, Zeichen und Praktiken. Wenn Frauen diese Projektion mehr oder weniger unbewusst anerkennen, empfinden sie sich als sozial minderwertiger. Aus kompensatorischer Reaktion identifizieren sie sich dann mit der männlichen Stimme, dem männlichen Begehren.  

    Stimmen Adlers Beobachtungen, dann würden sie zweierlei Phänomene auf psychosozialer und kultureller Ebene erklären: Frauen, die wie (ihre) Männer für Verbote gendergerechter Sprache kämpfen, setzen sich mit der männlichen Stimme gleich («ich fühle mich vom generischen Maskulinum angesprochen»). Zum anderen nehmen Männer das Sichtbarwerden von mehr ‘Weiblichkeit’ und transgender in Kultur, Politik und Sprache als Angriff auf die eigene Potenz und Herrschaft wahr. Insofern verbirgt sich hinter dem Kulturkampf gegen die ‘weiblichen’ und implizit auch ‘farbigen’ Geister in der Sprache ein Kompensations-Regime, um die im Inneren verdrängte Impotenz zu kaschieren.

    Geschlechter-Hierarchie und Markierung von Abweichler*innen

    Mit der Sprache kommunizieren wir unser Begehren, unsere Wünsche. Wir subjektivieren uns durch sie. Als Instrument der Kommunikation ist Sprache eines der Kommunion, denn über sie stiften wir Beziehungen. Sprache ist nach einem geflügelten Wort das gemeinsame Band unserer Gesellschaft. Doch diese sozialen Funktionen von Sprache implizieren ebenso gegenläufige Tendenzen. Denn über die Sprache können wir als fremd oder anders wahrgenommene Individuen aus einer herrschenden Normgruppe exkommunizieren.

    Zwischen biologischem Geschlecht und Gender unterscheidende Sprachforschung zeigt, dass wir beim Sprechen und Schreiben schon immer genderten und gendern werden. Besonders zu sehen ist dieser Tatbestand beispielsweise an sprachlich verfestigten Geschlechter-Hierarchien im Deutschen: Heute teils veraltete Ausdrücke wie ‘das Frauenzimmer’, ‘das Weib’, aber auch ‘das Ding’ stigmatisierten «sozial unfertige Frauen». Erst im Ehestand rückten sie in eine Art höhere Geschlechtsordnung auf, über die sie das grammatische Femininum ‘verdient’ hätten (z.B. die Gattin, die Ehe-Frau).

    Bei männlich gelesenen Gruppen zeigt sich sexuelle Deklassierung durch die Sprache anders: Im Femininum stehende Stigmata wie ‘Tucke’, ‘Schwuchtel’, ‘Memme’ oder ‘Lusche’ markierten Abweichler unter Männern oder männlich Gelesenen, sobald sie stereotypischen Idealen wie Mut, Stärke und Durchsetzungskraft nicht entsprachen. Die Verstossenen landeten anders als Frauen nicht auf der tiefsten Ebene des Neutrums, sondern «nur» auf der des Femininums. So betrachtet ist (deutsche) Sprache voller historischer Salzablagerungen eines Männlichkeits-Komplexes.

    Wenn mit Sprache und durch Sprache sozialen und grammatischen Geschlechter-Hierarchien entsprochen wird, dann erklärt dies vermutlich das Interesse vieler Sprachhygieniker*, warum sie sprachliche Veränderungen beanstanden. Am liebsten würden sie das Weiche (im ethischen Sinne) und Inklusive im Ausdruck durch Härte und Verbote ausradieren. In Analogie zu den Migrations- und Fluchtbewegungen empfindet die Sprachhygiene syntaktisch Zeichen wie das Gendersternchen, das Binnen-I oder den Unterstrich als ‘art-’ oder ‘kulturfremd’. Genauso nimmt sie Anglizismen als ‘invasiv’ und bedrohlich für die paternalistische Ordnung wahr.

    Überall Monster: Gendermonster und bedrohtes Deutsch

    Einen Krieg gegen Kultur und Sprache führen seit Jahren alle rechtskonservativen Parteien. Sie übernehmen parasitär demokratische Werte wie Meinungs-, Presse-, und Kunstfreiheit und wenden sie in pervertierter Form gegen zivilgesellschaftliche Akteur*innen. Populistische Plakate der SVP etwa fielen vor rund zwei Jahren durch ihre antisemitische Ästhetik auf. Denn, wie auf dem Plakat zu sehen war, griff ein sogenanntes Gendermonster mit regenbogenfarbener NS-Kampfbinde nach Kindern. Die Botschaft war, dass Kinder im Namen der ‘Selbstbestimmung’ durch das ‘Gendern’ verhunzt oder ‘früh-sexualisiert’ würden.

    In Österreich kämpft die Rechte im Namen der Freiheit gegen das ‘Gendern’ durch ein so gelabeltes ‘Anti-gender-Volksbegehren’ gegen Diversität und (intersektionelle) Frauenrechte. Die AfD hingegen schießt aus ihrem intellektuellen Schützengraben mit demagogischer Sprachpolitik, etwa wenn sie im Namen der Kultur vorhat, das ach-so-verwundete Hochdeutsch als immaterielles Weltkulturerbe anzuerkennen – und es ins Lazarett des Grundgesetzes einzuliefern (denselben Versuch, Deutsch Verfassungsstatus zu geben, unternahm vor anderthalb Jahrzehnten die NPD).

    Kur und Arznei gegen Fremdwörter – oder Fremdkörper?

    Richtig gefährlich für die Gesundheit des Deutschen und Schweizerdeutschen ist es noch an einer anderen Stelle ihres lexikalischen Pools. Im Fühlen und «Denken» gewisser Sprachhygieniker wirken Anglizismen geradezu wie Corona-Viren. Nicht umsonst führt der Verein der Deutschen Sprache einen sogenannten ‘Anglizismenindex’, anhand dessen unliebsame fremdsprachliche Mitbringsel markiert oder am besten gleich «remigriert» werden sollen.

    Nicht anders führt sich ein Appenzeller Politiker wie Christian Oertle auf (die SVP hat vor Jahren ihren Kampf gegen das Hochdeutsche nun aufs ‘Gendern’ und auf die Anglizismen verschoben), wenn er das viele «poppen» in Ausdrücken wie Popup oder Popcorn nicht mehr aushält.

    Dass in der kulturkämpferischen Hypochondrie dem Anglizismus eine hervorragende Bedeutung zufällt, hat vermutlich damit zu tun, dass er für Globalisierung, Internationalismus und Kosmopolitismus steht – und damit für offene Grenzen und gendergerechte Sprache. Denn Ausdrücke wie ‘woke’, ‘queer’ oder ‘gender’ legen eine symbolische Verdichtung für (Haut-)Farbe, Feminismus und Internationalismus nahe, gegen die sich umso mehr Frust und Aggression von vermeintlich ‘bedrohter, weisser Männlichkeit’ richtet.

    In den USA gilt der Krieg männlicher Sprachhygiene anders als auf dem europäischen Festland der spanischen Sprache. Die MAGAs kriminalisieren Sprecher*innen allein aufgrund des gesprochenen Spanisch. Jüngst erzwang der autoritäre Trumpismus American English zur Amtssprache zu machen, mit der Absicht, spanisch Ausdrücke ganz aus der Öffentlichkeit zu verdrängen (Barbecue bleibt hingegen), während er Menschen unter fadenscheinigen Begründungen abschiebt, ebenso wie Wörter aus dem kollektiven, öffentlichen Vokabular (Trumps Herrschaft hat mehr als 200 Wörter aus dem inklusiven und wissenschaftlichen Spektrum auf einen Index gesetzt, darunter Vielfalt).

    Überblick: Ursprünge der Konstruktion von National-Sprache

    «Der Instinkt der Massen, mit anderen Worten der Volksgeist schafft die Sprache und die Sprache schafft ihrerseits wiederum den Volksgeist. […] Ein Volk kann seine Sprache weder ändern noch verlieren, ohne daß auch sein Charakter sich ändere und seine ursprüngliche Eigenart verloren gehe.» Otto von Greyerz

    Die bis hierhin skizzierten sprachhygienischen Interventionen geben nur einen winzigen Ausschnitt wieder aus einem epochen-übergreifenden Sprachpurismus. Auffallend an ihm sind die wiederkehrenden Abwehrreaktionen gegen imaginierte Verunreinigungen. Insofern erfolgt die Abwehr beziehungsweise die Hygienemaßnahme über die Diskurse und Institutionen, um über diese nicht nur die Muttersprache selbst vor ‘Verschmutzungen’ zu schützen, sondern die gesamte National-Gemeinschaft. Zumindest kann sich auf dem geistigen Boden eines solches Bedrohungsszenarios aus lauter ‘schmutzigen Vermischungen’ allererst ein vergemeinschafteter Abwehrreflex aufbauen, der sich im politischen Diskurs über Wortgefechte, verbale Anfeindungen und schlimmstenfalls in Gesetzesänderungen mündet, die die Ausdrucksfreiheit beschränken (das Verbot des Gendersternchens in einigen Kantonen und Bundesländern sind weiter oben erwähnt).

    Diese auf die (National-)Sprache übergehenden Abwehrreflexe, besonders aus dem rechten Spektrum kommend, haben immer mit sozialen Ängsten in globalen Umbruchsituationen und gesellschaftlichen Schwellen-Phänomenen zu tun (wie wir sie offenbar seit der Bankenkrise von 2007/08 deutlicher erleben). Der moderne, nervöse Sprachpurismus, der das Schweizer- oder Hochdeutsche vor «Fremdeinflüssen» beziehungsweise «Vermischungen» reinhalten will, entwickelte sich schon im Schlepptau der radikalen Nationalismen des 19. Jahrhunderts (das gilt sowohl für die Deutschschweiz als auch für das Deutsche Reich, wenngleich hier, wie man weiß, die Radikalisierung (sprach-)nationalistischer Tendenzen die extremsten Auswüchse annahm).

    Verbindung von Sprache und Nationalismus

    Kennzeichnend für den Purismus, egal ob nun in der Deutschschweiz oder in Deutschland, ist seine Tendenz zum Nationalismus. Er nimmt an, dass sich die unter dem ideellen Überbau der Nation verstehenden Gemeinschaften wie auch die von ihr gesprochene Muttersprache auf dem Boden eines mythischen Ursprungs entwickelten. Dass das Schweizerdeutsch und Hochdeutsch rein kulturelle Artefakte sind, die im ausgehenden 18. Jahrhundert über Institutionen und Sprachdiskurse durch teils heftige und intellektuelle Debatten entstanden, leugnet der Nationalismus (‘historically’ ist auch auf Trumps Index).

    Auf diese Weise wird Sprache, die ihren Individuen in ‘Fleisch’ und ‘Blut’ übergehen soll, zum physiognomischen Ausdruck einer Nation gemacht. In diesem Sinne lässt sich sehr treffend vom Effekt einer Naturalisierung sprechen: Das kulturelle Produkt, die gewordenen Mutter-Sprache, sieht der (Sprach-)Nationalismus als natürliches Produkt. Dieses ideologische Sprach-Verständnis verdeckt das historische Gewordensein der Mutter-Sprache und gibt vor, als könnte es ihren ‘wahrer’ Ursprung unter all den kulturellen und sozialen Entwicklungen wiederentdecken. Mit dieser Denk-Schablone deutet der Sprachpurismus Veränderungen an Ausdrucksformen als Abweichungen oder ‘Entartungen’, eben weil sie von angeblichen natürlichen Ausdrucksformen abwichen. So wie nach den Worten des Soziologen Benedict Anderson die zur Nation sich vertraglich oder gewaltsam gebildete Gemeinschaft eine reine Fiktion ist, eine imagined community, bildet die Muttersprache dementsprechend eine imagined language. Beides also, Nation wie Muttersprache, sind Kultur-Konstrukte und keine Natur-Prozesse.

    Allerdings hat sich das Ideologem einer muttersprachlichen Naturwüchsigkeit in den Köpfen kulturkonservativer und rechtsnationaler Denkströmungen über Jahrzehnte fixiert.

    Pathologie der Veränderungen des Hochdeutschen und der Mundart

    Nun soll es um die Sprache als eine Art Patientin gehen. Im Zuge zunehmender Radikalisierung des 19. Jahrhunderts setzte eine regelrechte Psycho-Pathologisierung um die Kulturprodukte ‘Muttersprache’ und ‘nationale Identität’ ein. Mit anderen Worten, der Diskurs über die National-Sprache reicherte sich zunehmend mit medizinischem Vokabular an durch verschiedene rechts-konservative Akteur:innen. Dieses Vokabular aus psycho-medizinischen Metaphern ist in herausragender Weise geeignet, bei den Sprecher:innen Affekte gegen krankmachende Eindringlinge ins muttersprachliche Feld zu mobilisieren.

    Diese medizinische Aufladung der National- oder Muttersprache erfolgte vorm Hintergrund eines gewissen Sprachbewusstseins, welches für das 19. Jahrhundert europaweit kennzeichnend war (und heute noch ist): Darin standen etwa das Schweizerdeutsche und Hochdeutsche in einem spiegelbildlichen Verhältnis zum Wesen oder der Psyche eines ‘Volkes’. Publikationen im Namen der Wissenschaft über sogenannte ‘Volkspsychen’ florierten in dieser Zeit enorm.

    Dass viele auch heute noch anderen wegen ihrer gesprochenen Muttersprache zwingende Charaktereigenschaften unterstellen, verdankt sich jenen verdrehten völker- und sprachpsychologischen Pseudowissenschaften. Um ein Beispiel von dieser Tendenz zu geben, Charaktere an der Muttersprache festzumachen, schauen wir uns ein Veröffentlichung von 1858 im Berner Bund des Schweizer Schriftstellers Alfred Hartmann an:

    «Es ist ein alter Satz: die Sprache ist das getreue Spiegelbild des ureigensten Wesens der Völker; es gilt auch für uns. Wie wir selber ist auch unser „Schwizerdütsch“ derb und rauh, aber unter der ungeschliffenen Schale ist das blanke Gold tiefster Gemüthlichkeit verborgen; – wie wir selber ist unsere Sprache etwas ungelenk, und trifft trotzdem, wie der Mutterwitz des Appenzellers, stets den Nagel auf den Kopf […]».

    Hier projiziert der Schriftsteller in sentimentalen Tönen menschliche Eigenschaften und Gefühlswelten auf die Sprache. In diesem Sinne hätte Hartmann Veränderungen des «Schwizerdütsch» als unliebsame Oxidierung des «blanke[n] Gold[s] tiefster Gemüthlichkeit» empfunden.

    Es blieb jedenfalls nicht nur bei der Psychologisierung von ‘Volk’ und Sprache. Mit einem aus der Neurologie geliehenen Wörterbuch untermauerten Hygieniker sprachliche Verfallserscheinungen mit scheinbar diagnostischer Präzision. Von Fehldiagnosen einmal abgesehen wollen wir nochmal ein Beispiel aus der Deutschschweiz nehmen. Da hieß es in einem anonymen Beitrag auf einer Lehrerkonferenz um 1868:

    «Mit der Ausrottung der Mundart nähme man gleichsam einen Lebensnerv aus unserem Volksleben weg; man öffnete einer in mancher Hinsicht fremdartigen Sitte und Denkungsweise den Eingang; man verlöre an Eigenthümlichkeit und Selbständigkeit […]»

    Natürlich hat der hier populistisch gebrauchte Begriff «Ausrottung» mehr mit einer biologischen als einer neurologischen Metapher zu tun. Es ist jedenfalls spannend zu sehen, wir das Wort ‘Ausrottung’ semantisch falsch auf ein Individuum – hier die Mundart – Anwendung findet, wo es doch die Auslöschung einer Spezies meint.[1] Das Beispiel der besagten Lehrerkonferenz ist nicht zufällig ausgewählt, denn schließlich formt und reproduziert der pädagogische Diskurs ein bestimmtes Sprachbewusstsein. Durch diesen ließen sich Schüler*innen unmittelbarer hinsichtlich Mutter-Sprache und nationaler Identität emotionalisieren.

    Vermenschlichung und Emotionalisierung des (Schweizer-)Deutschen

    Um auf die psycho-pathologischen Erzählungen über die Mutter-Sprache zurückzukommen: Sie bekam in einer ganz sentimentalen Metaphorik Wärme, Freude oder Fröhlichkeit zugeschrieben, so als ob sie, jedenfalls im übertragenen Sinne, einer idealisierten, leiblichen Mutter entspräche. Auf die Vermenschlichung von Sprache folgt zwangsläufig ihre Möglichkeit zu erkranken. Dann rufen sich erst recht Sprach-Hygieniker auf den Plan, um der Mutter-Sprache spirituelle Kuren zu verschreiben. Da attestierte beispielsweise ein renommierter, deutscher Sprachwissenschaftler, Indogermanist und moralischer Apotheker wie August Schleicher einen «Mangel an Sprachgefühl», und das nur, weil aus seiner Sicht Fremd- und Lehnwörter zur «Stumpfheit unseres sprachlichen Gefühles» führen würden.

    Sogar Jacob Grimm verordnete der Sprache eine Kur «des unermüdlich schaffenden sprachgeistes», damit sie, «die mancherlei schaden erlitten» hat, wieder zu geistigen Kräften käme. Damals wie heute waren Puristen und Hygieniker nicht müde, der Sprache Normen zu verschreiben, teils sogar, wie im Deutschen Reich, unter Strafandrohung.

    Migration in die Sprache oder die Erzählung vom Eindringling

    Damals wie heute setzen Sprachhygieniker Fremdwörter mit migrantischen Gruppen gleich. Zumindest teilen die Migrationsbewegungen von Menschen und Ausdrücken dasselbe feindliche Affektniveau. Kein Geringerer als der Vater der bekannten, olympischen Sportgeräte, Friedrich Ludwig Jahn, hat sich auf dem Feld zur Ausbürgerung ‘illegal eingewanderter’ Fremdwörter besonders sportlich hervorgetan. Er entwarf nicht nur den Barren und das Reck, um den Männerkörpern für den Preußischen Staat Wehrhaftigkeit und Soldatentugenden einzudrillen. Er forderte ebenso Höchstleistungen in der Vertreibung von Fremdwörtern aus der deutschen Muttersprache:

    «Die Fremdsucht ist ihr Galle, Gift und Greuel, ein Irrleuchten im Dämmer und Nebel. Fremdwörter gehen als solche, und wenn sie hunderttausendmal eingebürgert heißen, nie in Gut und Blut über [Hervorhebung vom Autor]. Ein Fremdwort bleibt ein Blendling ohne Zeugungskraft: es müßte dann sein Wesen wandeln und selber als Urlaut und Urwort gelten können. Ohne ein Urwort zu werden, läuft es als Ächter durch die Sprache.»  

    Zwar ist Herr Jahn kein Abgeordneter einer heutigen, nationalistischen Strömung. Doch hatte er immerhin für seine rechtsradikale Nachwelt brauchbare, rhetorische Schnipsel entworfen, zugespitzt gesagt – eine Eugenik an der Sprache entworfen.

    Nach Friedrich Ludwig Jahn ist übrigens eine Sportanlage im Berliner Quartier Prenzlauer Berg benannt, die rein zufällig auf einem ehemaligen preußischen Exerzierplatz ruht (das rechte Bewusstsein war schon immer traditionsbewusst). Doch es half nichts: So gut sich Monsieur Jahn bemühte, Übungen, die die Mehrheit auch heute noch mit dem französischen Lehnwort ‘Turnen’ bezeichnet, für «ein deutsches Werk mit deutschem Wort zu benennen» – Gallien ließ sich auch von dem Preußen Jahn nicht erobern.

    Exkurs: Sprachbereinigung als Propagandainstrument im Ersten Weltkrieg

    Man[D1]  fühlt sich angesichts der kriegerischen Rhetorik und Metaphorik beim beschworenen ‘Bürgerkrieg’ um die Sprache an die Propaganda von der ‘Verdeutschung ausländischer Begriffe’ erinnert. Sie stammt aus der Anfangszeit des Ersten Weltkriegs, in der im Kontext national-patriotischer Gesinnung zum Beispiel eine Verabschiedung wie ‘Adieu!’ mit ‘Auf Wiedersehen!’ ersetzt werden sollte, oder das Berliner ‘Café Windsor’ in ‘Kaffee Winzer’ umbenannt wurde. So wie der Gebrauch «ausländischer» Begriffe und kosmopolitisch klingender Namen als «unpatriotisch» galten im Zuge einer propagandahaften ‘Verdeutschungskampagne’, verdrängt und indexiert die Sprachhygiene heute im Namen eines Ethno-Pluralismus migrantisch besetzte Wörter.

    Angst um das Organ ‘Sprache’ und latenter Antisemitismus

    Grundlegend für reaktionäre Sprachhygiene oder ein populistisches Sprachverständnis ist die Tendenz zur Somatisierung von Sprache. Das hießt, der Purist oder der Hygieniker, etwa des Deutschen Sprachvereins, sieht die Landessprache als ein lebensnotwendiges Organ. Zum einen drückt sich diese Umdeutung in organizistischen Metaphern aus, mit denen über Sprache als Muttersprache in Diskursen gesprochen wird, zum anderen im moralisch-normativen Sinne, nämlich durch Reinlichkeits-Gebote an eine vermeintlich saubere, unverfälschte Sprache.

    Wahrscheinlich ist diese zwanghaft geistige Hygiene Symptom einer tiefsitzenden, männlichen Angst. Eine abstrakte Angst, die an dichotomen, geschlechtlichen Sprachstrukturen festhält. Mal wieder eignet sich das Wahn-Gebäude des Monsieur Jahn als Beispiel. Immerhin meinte er in seinem ultra-nationalistisch Band Deutsches Volkstum: «Welschen ist Fälschen» (von welsch: ‘fremdartig’). Denn die Einfuhr von Fremdwörtern führe, jedenfalls laut seiner Diagnose, zur «Entmannung der Urkraft» und zum «Vergiften des Sprachquell». Hier nimmt Jahn im übertragenen Sinne eine wahre Urologie und Toxikologie an der Sprache vor, die ähnlich-lautend heute dem Gendersternchen gilt.

    Übrigens hallt im Bild von der Vergiftung einer Quelle, von der sich ein ‘Volk’ oder eine Sprach-Gemeinschaft existenziell nährt, ein antisemitischer Unterton nach. Der jüdische Soziologe und Philosoph Theodor W. brachte Adorno brachte diese Latenz antijüdischer Einstellungen hinsichtlich Fremdwort-Purismus einmal ganz pointiert zum Ausdruck: «Fremdwörter sind die Juden der Sprache».

    Verlieren «echte Männer» ihre Echtheit, wenn sich Frauen und Transgender nicht mehr mit dem generischen Maskulinum identifizieren – und Sprachen alle Vielfalten von race über gender adressieren? Vom «Welschen» und «Gendern» scheint eine symbolische Kastrationsdrohung auszugehen.

    Krise der Männlichkeit oder die Krise des Keuschheitsideal

    Die ‘Krise der Männlichkeit’ lässt sich zusammenfassen als eine regelrechte Männer-Hysterie um eindeutige Geschlechter-Dichotomien. Teil dieses Krisen-Mythos ist der Versuch, über Diskurse als ungeschlechtlich und nicht-binär empfundene Formen sowie Zeichen aus der Sprache zu tilgen. Sie zu sexualisieren, zu reinigen, zu homogenisieren, ja keusch zu machen – das ist das hysterische Skript dieser Männerphantasien. Das phantasierte Eindringen des Anglizismus und des Gendersternchens ins Ehe-Bett von Muttersprache und Vaterland bekommt eine promiskuitive Qualität, gegen die der weiter oben erwähnte ‘männliche Protest’ ankämpft.

    Auf die Muttersprache wie dem Deutschen ein Ideal ‘weiblicher Keuschheit’ oder ‘Jungfräulichkeit’ zu projizieren fand einen Vorläufer im Barocken Sprachstreit: Der Begründer der sogenannten Fruchtbringenden Gesellschaft, Martin Opitz, himmelte in einem Gedicht das Deutsche bildhaft als «keusche, edle Jungfrau» an. Erneut gesellt sich der Turnvater Jahn in dieselbe sexistisch moralische Bild-Tradition, wenn er das Deutsche als «unsere keusche Sprache» würdigt, während für ihn nur die «Hurerei» des Französischen laszive Wörter wie «Maitresse und Coquette» hervorbringen konnte, deren Entsprechungen der Mann im keuschen Deutschen vergebens findet.

    Überhaupt: Sind weisse Sexualität, Männlichkeit und Keuschheit nicht aufs Engste miteinander zu einem Komplex verwoben? Verwies nicht Frantz Fanon in seiner Arbeit Schwarze Haut, weiße Masken auf den Zusammenhang unbewusst erlebter, weisser Impotenz, die als Folge eines Männlichkeits-Ideals abgespalten und auf people of color projiziert wird, da sie die keusche Muttersprache und die patriarchale Ordnung durch ihren vermeintlich ungezügelten Geschlechtstrieb bedrohen (Mythos der hohen Fertilität von Muslimen)? Pflanzen sich Fremdwörter und Gendersternchen wie «Wilde» fort und beflecken das keusche (Schweizer-)Deutsch? Entjungfern sie es, machen es «unleserlich»?

    Jedenfalls folgt die Wiederkehr eines in den 50ern vorherrschenden binären Rollenbildes diesem linguistischen und moralischen Keuschheitsideal auf dem Fuss. Am viral gehenden Medien-Phänomen der Tradwives lässt sich das gut studieren. Immerhin, die prominenteste Performerin dieser scripted realities von Hausfrauen-Idyllen zählt mehr als zehn Millionen Follower*innen. Hier setzt sich die ‘wiederentdeckte’ Hausfrau noch mit dem männlichen Begehren unterwürfig gleich; Muttersprache und Hausfrau sind im Goldkäfig der idealen Familie oder der idealen Nation eingeschlossen.

    Schattenboxen oder die Fabel von wehrhafter Männlichkeit

    Gegen die virtuellen Angreifer auf die ‘Wurzeln nationaler Identität’ folgen frustrierte Abwehrreflexe. In der Sprache drückt sich das seitens der ‘echten Männer’ nach Forderungen von mehr «Wehrhaftigkeit» und «Männlichkeit» aus. Beide Ausdrücke sind synonym. Alle nationalistischen Parteien in der Deutschschweiz (dort hat die SVP nicht zufällig die höchste Parteistärke), in Deutschland und in Österreich profilieren sich als die letzten Bastionen männlichen Drills. Vor allem auf die mit ‘Männlichkeit’ angeblich natürlich verbundene ‘Wettbewerbsfähigkeit’ sind sie stolz. Diese Gleichsetzung von Männlichkeit und Wettbewerb impliziert, dass mit dem Untergang des ‘Männlichen’ zugleich das Fundament des Kapitalismus ruiniert würde.

    Anlässlich einer feministischen Montagsaktion in Zürich vor rund einem Jahr, wo Männer im Rock gekleidet zur Arbeit gingen, äusserte der frustrierte SVP-Nationalrat des Kanton seine Sorge über ‘Verweichlichung’ oder Verwischung binärer Geschlechtsgrenzen. Er ermüdete nicht darin, geschlechtliche Binarität mit naiver Genetik zu begründen besser gesagt zurück zu fordern.

    Sein strammerer und radikalerer Kamerad für stahlharte ‘Männlichkeit’, Björn Höcke von der AfD, brachte seinen Kampfgeist um männliche Kaderschmieden so zum Ausdruck:

    «Ich sage: Wir müssen unsere Männlichkeit wieder entdecken. Denn nur wenn wir unsere Männlichkeit wiederentdecken, werden wir mannhaft. Und nur wenn wir mannhaft werden, werden wir wehrhaft, und wir müssen wehrhaft werden, liebe Freunde!»

    Wiederentdeckungs-Nostalgie einer verloren geglaubten Männer-Utopie tauchen bei all diesen um ‘Wehrhaftigkeit’ und ‘Wettbewerb’ bemühten Parteien auf. Im Namen demokratischer Werte wie Freiheit im Ausdruck denunzieren rechte Männer-Phantasien sprachliche/soziale Inklusion als «schädlich» und «unnötig», weil sie sie als Zerrbilder von Männlichkeit, Wehrhaftigkeit und Wettbewerbsfähigkeit wahrnehmen.

    Derart sprachhygienische Ideologien fallen notwendig mit einer restriktiven Migrationspolitik und konservativen Familienpolitik zusammen. AfD und SVP nehmen sich ein Beispiel an der demagogischen Rhetorik und dem autoritären Stil der MAGAs, wenn sie Migrierende und zivilgesellschaftliche Akteur*innen als ‘Ungeziefer’, ‘Ratten’ oder ‘Raben’ verunglimpfen. Hierdurch tragen sie vermehrt zu einem autoritären Klima innerhalb Europas bei.

    Bei einer diesjährigen SVP-Delegiertenversammlung im winterlichen Balsthal wähnte der Shooting Star der Schweizer Rechtsnationalen, Christoph Blocher, von nicht klein zu kriegenden «bösen Geistern» aus Bern, die das «Schweizer Volk» in die EU treiben – nach seiner Lesart in den ‘Echten Untergang’. Wie gesagt, die Sprache kann Menschen exkommunizieren. Die ‘bedrohte Männlichkeit’ der Rechten macht das umso deutlicher in ihrer pathetischen Schlacht als Kultur-Exorzist. Die «bösen Geister», gegen die sich die viel beschworene Wehrhaftigkeit richtet, kommen nicht aus Bern, Wien oder Berlin – erst recht nicht aus der Zivilgesellschaft.[2] Diese Geister sind nichts als die Schatten der «echten Männer».        

    Stand: 24. Juni 2025

    Danksagung: Ohne die umfangreichen und differenzierten Arbeiten der Germanist*innen Anja Stukenbrock (Sprachnationalismus, erschienen 2005 bei ‘De Gruyter’) und Emanuel Rouss (Schweizerdeutsch und Sprachbewusstsein, auch bei ‘De Gruyter’, 2019, erschienen) wäre meine Veröffentlichung nicht möglich gewesen. Die Referenzen und Zitate aus meinem Text verdanke ich den genannten Arbeiten. Zudem danke ich der wertvollen Arbeit von Étienne Balibar über den Zusammenhang von Nation, Sprache und Rassismus.            


    [1] In Fritz Langs Klassiker M fordert bekanntlich das Verbrecher-Syndikat, das den Mörder fasste: «Diese Bestie hat kein Recht zu existieren, die muss ausgerottet werden.»

    [2] «Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister, werd‘ ich nun nicht los.»


     [D1]Sprache als das Identifikations-Angebot von ‘Volk’, ’Nation’ oder ‘Kultur’ zu verdrehen, scheint nahezu wellenartig in gesellschaftlichen Umbruchphasen wiederzukehren, wobei dafür ökonomische und ökologische Krisen nicht als mechanische Auslöser gedeutet werden können. Zumal jene reellen Krisen am meisten von denen geleugnet werden, die am stärksten von einer ‘Krise der Männlichkeit’ phantasieren. Gerade die vermeintliche Krise um die bedrohte Männlichkeit deckt sich mit dem Szenario einer Sorge um die Mutter-Sprache. Sie wird dabei als narzisstischer Ersatz oder Fetisch eines inneren Mangels begriffen.  [D1]